Verführerische Unschuld
Arbeit zurück”, sagte er und sah vielsagend auf die Uhr.
Er öffnete die Tür des Wohnwagens und ließ Licht und Hitze herein. Sekundenlang war Caitlyn fasziniert von der Art, wie das Sonnenlicht Grants Körper umgab und ihn wie einen Engel erscheinen ließ. Aber nicht wie keinen sanften himmlischen Boten, sondern eher wie den kriegerischen Erzengel Michael, der mit Schwert und Schild in die Schlacht zog.
Das atemberaubende Bild löste sich mit dem Zuknallen der Tür in nichts auf.
“Es würde mir viel bedeuten, wenn ihr beide einen Weg finden könntet, miteinander auszukommen”, sagte Paddy. Es war unerträglich heiß im Wohnwagen. Ein Schweißtropfen lief an Paddys Wange herunter.
Caitlyn beugte sich über ihn und wischte ihn mit einem Spitzentaschentuch ab, das ihre Mutter ihr geschickt hatte. Ein wehmütiger Blick trat in Paddys Augen, als er Laura Leighs Duft erkannte. Sekundenlang dachten beide an die glücklichen Zeiten, als sie noch alle drei zusammen gewesen waren. Der plötzliche Hauch von Jasmin überbrückte die Zeitspanne und ließ den Staub und den Schweiß und den See von Öl vergessen, der unter ihren Füßen, tief im Bauch der Erde, darauf zu warten schien, entdeckt zu werden.
“Ich geh meine Koffer auspacken”, sagte Caitlyn leise. Zärtlich gab sie ihm einen Kuss auf die Stirn. “Vielen Dank, dass ich bleiben darf, Daddy.”
Grants Schlafzimmer war wie auch der Rest des Wohnzimmers im gleichen ordentlichen, unpersönlichen Stil gehalten. Die Wände waren ebenso leer wie die Oberfläche der kleinen billigen Kommode und verrieten so auch keine Geheimnisse über ihren Besitzer. Es gab nicht den geringsten Hinweis auf Grants Vergangenheit. Aber das kann mir ja völlig egal sein, sagte Caitlyn und öffnete den Schrank.
Es hingen nur etwa ein halbes Dutzend T-Shirts da, und so gab es genügend Platz für ihre eigenen Sachen. Schließlich musste Caitlyn nur noch einen Platz für ihre Unterwäsche finden. Sie hoffte, dass wenigstens eine der Schubladen der Kommode leer war.
Ein seltsame Spannung erfasste sie, als sie eine Schublade aufzog und Grants Unterwäsche sah. Sie wunderte sich, wie der Anblick eines so langweiligen Stapels praktischer weißer Slips ihr das Gefühl geben konnten, ein Voyeur zu sein. Hastig machte sie die Schublade wieder zu. Ihre Reaktion kam ziemlich einer fast wollüstigen Neugier gleich, aber das gestand Caitlyn sich selbstverständlich nicht ein.
Als sie endlich ihre Sachen eingeräumt hatte, war es fast schon Abend. Da ihr Vater sie gebeten hatte, es sich nicht mit Grant zu verderben, dachte Caitlyn, dass sie sich vielleicht mit einem netten Abendessen bei ihm einschmeicheln könnte.
Im Kühlschrank gab es vor allem Bierdosen, wie sie missbilligend feststellte. Offenbar schien Grant darauf aus zu sein, Paddy umzubringen. Ein offenbar altes, hartes Steak steckte in fingertiefem festen Fett, der schimmelige Käse daneben sah nicht appetitlicher aus und eine Packung Eier stand neben einem riesigen Stück Schinken. Ketchup schien das Einzige sein, womit gewürzt wurde.
Das Tiefkühlfach war zum Rand mit Eispackungen und Fertiggerichten gefüllt, bei denen man nur die Zutaten lesen musste, um fünf Kilo zuzunehmen, wie Caitlyn entsetzt feststellte.
In der winzigen Speisekammer fand sie einige Dosen mit Gemüse und Früchten. Aus einem Sack mit Kartoffeln konnte sie wenigstens einige retten, die noch nicht begonnen hatten, zu keimen. Mit zwei Zwiebeln und einem Fläschchen Gewürzmischung hatte sie zwar nicht viel vorzuweisen, aber es würde reichen müssen, bis sie zu einem Supermarkt fahren konnte.
Grant hatte kaum den Wohnwagen betreten, da wehte ihm ein köstlicher Duft entgegen. Er war todmüde und hatte eigentlich nicht mehr gewollt als zu duschen, schnell eins von Paddys tiefgefrorenen Fertiggerichten hinunterzuschlingen und sich auf das Sofa zu werfen. Seine Laune hatte sich nicht gebessert. Das Letzte, was er erwartet hatte, war, vom Aroma köchelnden Gemüses und belebender Gewürze in alte Zeiten zurückversetzt zu werden.
Plötzlich glaubte Grant, wieder in der Küche seiner Mutter zu sein und sich zu fragen, wie sie aus ein bisschen Fleisch, einigen Karotten, Kartoffeln und einer Zwiebel die köstlichsten Gerichte zustande brachte. Am wunderbarsten war es gewesen, wie sie aus einem Klumpen Teig in der Pfanne ein kleines Kunstwerk zauberte. Cissy Davis’ einfache Gerichte waren Wunder an Duft und Geschmack. Wenn sein Vater sie fragte, was ihre
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