Verführerischer Weihnachtstraum
gehen, konnte Georgie spüren, wie sich der wunderbare Kokon langsam auflöste, in den sie sich für die Dauer dieserTage eingehüllt hatten. Dann jedoch gewann ihr Optimismus wieder die Oberhand. Warum sollte sie jetzt schon Angst haben?
Vor dem Spiegel hielt sie an und musterte ihr Gesicht. Die Frau, die ihr entgegenblickte, war eindeutig eine verliebte Frau – die Wangen rosig, die Augen strahlend. Jede Faser in ihr vibrierte vor Leben. Zugegebenermaßen wegen des falschen Mannes. Aber mal ehrlich: Warum sollte sie das scheinbar Unvermeidliche tatenlos akzeptieren?
Mit anderen Worten: Warum sollte sie nicht um Pierre kämpfen? Es würde ein Guerilla-Kampf werden müssen, denn er hatte ja keine Ahnung, was sie wirklich für ihn empfand. Nun, auch das würde sie schaffen!
Pierre war schon vorgegangen. Die Schlafzimmertür stand offen, Georgie konnte die Stimmen von Didi und ihm hören. Ein Mensch würde ihre Kampfbereitschaft auf jeden Fall begrüßen – Didi. In einer ähnlichen Situation würde sie sicher genauso handeln. Sie würde niemals kampflos aufgeben.
Georgie trug einen Hauch Make-up auf und Lipgloss, sodass ihr Mund voller und verführerischer wirkte. Die Lösung war simpel. Sie würde sich unentbehrlich machen. Ihr blieb noch Zeit bis zum Neujahrstag. Bis dahin würde sie ihr Bestes geben und alles daransetzen, sich bei ihm unvergesslich zu machen. Er hatte doch schon zugegeben, dass er sie in London vermisst hatte. Wenn Pierre dieses Mal nach London zurückkehrte, würde er sie noch mehr vermissen. Denn er würde seine Geliebte vermissen.
So die düsteren Gedanken in Ordnung gebracht, ging Georgie gut gelaunt nach unten in die Küche, wo frischer Kaffee und warme Croissants auf sie warteten.
Didi kümmerte sich bereits um denTruthahn. Sie hatte darauf bestanden, dass er als traditionelles Weihnachtsgericht auf den Tisch gehörte. Alternativvorschläge von Pierre und Georgie hatte sie unnachgiebig abgeschmettert. Auch dass der Vogel, so klein er auch sein mochte, niemals von drei Leuten aufgegessen werden könnte, interessierte Didi nicht. Sie verkündete: „Ich bin der beste Resteverwerter der Welt“ – und machte sich an die Füllung.
Pierre bedachte Georgie mit einem Lächeln, bei dem ihre Haut zu prickeln begann, und drückte ihr einen Kuss aufs Haar, als sie sich setzte.
Draußen schneite es unvermindert weiter. Und während Weihnachtslieder aus der Stereoanlage klangen, bereiteten die drei gemeinsam das Weihnachtsessen vor und öffneten ihre Geschenke. Pierre versicherte bewegt, wie sehr er das Buch liebte. Für Georgie hatte er eine antike Uhr erstanden. Sie hatte sie bei einem ihrer Stadtbummel entdeckt und sofort beklagt, dass sie sich dieses wunderbare Stück niemals würde leisten können.
„Ich hatte ja eher auf einen Ring gehofft“, meinte Didi leicht enttäuscht, doch der Kommentar ging unter im Aufschneiden des Truthahns und dem Servieren von Pasteten und Kroketten. Es war schon drei, als sie sich zu Tisch setzten. Und als es endlich aufhörte zu schneien, schauten die Nachbarn auf den traditionellen Weihnachtspunsch vorbei.
Pierre, dem vor solchen Veranstaltungen immer gegraust hatte, stellte fest, dass er sich eigentlich ziemlich gut amüsierte. In den letzten Jahren – außer in jenen, in denen er an Weihnachten geschäftlich unterwegs gewesen war – hatte er seine Mutter in teure Restaurants ausgeführt. Doch das hier war es, was Didi sich wirklich wünschte: Sie wünschte sich ungesunde Mengen selbst gekochten Essens, und sie wollte sie im Schein des geschmückten Tannenbaums zubereiten. Sie wünschte sich, dass köstliche Düfte nach Truthahn und Punsch durch das festlich geschmückte Cottage zogen, und sie wünschte sich, dass die Nachbarn mit Weihnachtswünschen und dem neuesten Klatsch herüberkamen. Wahrscheinlich hatte Didi sie in den vergangenen Jahren ferngehalten, nur weil er es gehasst hätte.
Am anderen Ende des Raumes stand Georgie mit dem Vikar zusammen und unterhielt sich angeregt mit ihm. Der Mann trug einen Panama-Hut und erinnerte Pierre ein wenig an einen Mafioso. Als Georgie zu ihm hinübersah, blinzelte Pierre ihr zu und deutete mit einer unauffälligen Geste an, dass er jetzt gern ins Schlafzimmer hinaufgehen würde. Was sie prompt den Faden verlieren ließ und Röte auf ihre Wangen zauberte.
Er würde mit einem gewissen Bedauern in sein normales Leben zurückkehren. Was wohl verständlich war. Urlaub war etwas so Seltenes für ihn, und dieser
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