Verfuehrerisches Geheimnis
Ehrenjungfer das erste Glas ab, kostete, wischte den Rand mit der Serviette ab und reichte das Glas der Königin. »Da Ihr süßen Wein liebt, nehme ich mir die Freiheit, Euch morgen ein paar Gebinde Kanarenwein zu schicken.«
Elizabeth tippte mit ihrem Fächer gegen seine breite Brust. »Ich wette, Ihr genießt es ebenso, Euch Freiheiten herauszunehmen, Hepburn, wie Euer Vater es einst tat.«
Patrick sah ihr lächelnd in die Augen. »Ich muss gestehen, dass dem so ist.«
»Bothwell und ich kamen gut miteinander aus. Als aufrechter Protestant war er eine starke Bastion gegen die Katholiken, die nach der Herrschaft über Schottland strebten.«
Sehr bemüht, sie nicht auffällig anzustarren, bemerkte er, dass ihr Gesicht unter der dicken Schicht Schminke und Rouge ein Spinnwebnetz aus Runzeln war. Trotz des prächtigen, mit Drähten und Polsterungen ausstaffierten Gewandes sah man, dass der königliche Körper völlig ausgezehrt war. Patrick war froh, dass er nicht den Fehler begangen hatte, sie zum Tanz aufzufordern, da sie für größere Anstrengungen viel zu schwach war. Allein ihr Wille war es, der sie noch am Leben erhielt. Und er sah ganz deutlich, wie erstaunlich stark dieser Wille war. Stark genug, um Schmeichelei zu fordern. Stark genug, um ihrem Unmut Ausdruck zu verleihen, wenn ihr etwas oder jemand zu missfallen wagte. Stark genug auch, um jemanden in den Tower von London werfen zu lassen oder mit ihrer zarten, aber noch immer gebieterischen allmächtigen Hand ein Todesurteil zu unterzeichnen. Vor allem aber war sie stark genug, um sich zu weigern, einen Erben für die Krone von England zu benennen.
Patrick leerte sein Glas und stand auf, um zu gehen. Am Fuße des Podiums standen noch viele Höflinge und warteten, bis sie an der Reihe waren, ihrer Königin zu huldigen.
»Es wird mir eine Ehre sein, Euer Majestät im November wieder meine Aufwartung zu machen.« Als er sich verbeugte, fragte er sich, ob sie im November wohl noch am Leben sein würde.
Patrick fand den Audienzsaal inzwischen unerträglich heiß und das schwere Parfüm der Höflinge, männlicher wie weiblicher, erstickend. Ohne sichtbare Eile strebte er direkt dem Ausgang des Raumes zu. Seine dunklen Augen entdeckten Lady Catherines silbernes Gewand, ehe er hinausing. Sie tanzte mit einem jungen Edelmann mit Namen William Herbert, dem Erben des großen Earltums von Pembroke. Als Patricks Blick sie erfasste, drehte sie ihm angelegentlich den Rücken zu. Er lächelte befriedigt. Ihm war klar, das ihm der Blick des kleinen Teufelsbratens schon eine Zeit lang gefolgt war.
Die Luft vor Whitehall Palace empfand Patrick als kühl und frisch, doch mit der reinen Luft in Schottland, die einem zu Kopf stieg wie edler Wein, war sie nicht zu vergleichen. Er schlenderte hinunter an den Fluss und blieb stehen, um die Lichter der Barken zu beobachten, während er im Geist jede Einzelheit durchging, die er an diesem Abend über die Königin von England in Erfahrung gebracht hatte. Seine Vision hatte ihm ihr Leichenbegängnis gezeigt, ohne ihm jedoch zu verraten, wann dieses schicksalhafte und bedeutende Ereignis stattfinden würde.«
Von deinen übersinnlichen Fähigkeiten ganz abgesehen, was sagen dir Instinkt und gesunder Menschenverstand? fragte er sich. Kein ganzes Jahr mehr - neun, zehn Monate, nicht länger. Kopfschüttelnd und mit einem Lächeln zollte er ihrem Mut und ihrem Eigensinn Tribut. Er konnte ihr seine Bewunderung nicht versagen und musste gestehen, dass es ihn nicht gewundert hätte, wenn sie im November ein letztes Mal das Jubiläum ihrer Thronbesteigung begehen würde.
Mit zögernden Schritten kehrte er in den Saal zurück. Die Höflichkeit erforderte es, dass er mit den Damen tanzte, denen er in Richmond begegnet war.
Just als er Liz Widdrington auffordern wollte, wurde sie am Arm eines modisch gekleideten Höflings entführt. »Wer ist der Dandy?«, fragte Patrick mit einer Grimasse.
»Das ist William Seymour, ein nichtsnutziger junger Streber wie die meisten hier bei Hofe«, erwiderte Robert. »Meine Schwester Kate hat mich Elizabeth vorgestellt, die sofort wissen wollte, weshalb ich meinen Posten an der Grenze verlassen hätte. Ich sagte ihr, dass ich es nicht ertragen könnte, ihren Anblick entbehren zu müssen. Meine Antwort muss ihr gefallen haben. Sie gewährt mir morgen nach dem Kirchgang eine Privataudienz. Auch wenn die Königin meine Kusine ist, weckt sie Gottesfurcht in mir. Ich glaube, es ist nur in meinem eigenen
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