Verfuehrt
fest.
»Sophie, ich kann dir nicht versprechen, dass das Bild von Enzo ist, aber ich werde es dir sofort sagen, sobald ich mir sicher bin. Wahrscheinlich reicht mir schon der erste Eindruck für eine Einschätzung – ich kenne sein Werk wirklich gut. Dann kann ich dir die Sorge vielleicht recht schnell nehmen.«
Für einen Moment verliere ich mich in seinen warmen Bernstein-Augen, und eine Welle der Dankbarkeit überrollt mich, weil er offenbar spürt, dass ich dringend ein bisschen Zuspruch brauche. Und auch wenn er mir mehr nicht zusagen kann, tröstet mich das, deshalb lächle ich ihn zaghaft an. Und dann fahren wir beide herum und Matteo lässt mich wieder los, denn in diesem Moment schwingt die Tür des Herrenhauses auf.
Es ist jedoch nicht Lord Ashbury, der uns begrüßt, sondern ein Butler in altmodischer Livrée.
»Wir sind wegen des Enzo-Gemäldes hier«, informiere ich ihn, nachdem wir uns vorgestellt haben, und er nickt, offenbar weiß er Bescheid.
»Kommen Sie, hier entlang.« Er führt uns durch die beeindruckend große Eingangshalle, auf deren glatten Steinboden unsere Schritte laut hallen, weiter in einen Flur und von dort in die Bibliothek. »Ich werde Seiner Lordschaft Bescheid geben«, erklärt er uns kühl und leidenschaftslos, dann ist er wieder verschwunden und lässt uns allein.
»Seine Lordschaft?«, fragt Matteo amüsiert, und ich stimme in sein Lachen ein. Mir ist zwar eigentlich nicht danach zumute, aber dieser Butler in seiner Uniform und mit diesen übertriebenen Manieren hat schon etwas Lächerliches.
»Wie ich schon sagte: Lord Ashbury mag es sehr korrekt«, erinnere ich ihn. »Wir haben ein paar adelige Kunden, aber nicht alle legen so viel Wert auf die damit verbundenen Förmlichkeiten wie er.«
Neugierig und um mich ein bisschen von meiner Nervosität abzulenken, sehe ich mich in der Bibliothek um. Sie ist nicht besonders groß, aber die Bücher, die sie füllen, sind ausgesprochen exquisit – fast nur alte Lederbände und ausgesuchte Erstausgaben, wie mein geschulter Blick sofort erfasst, als ich in einigen Büchern herumblättere.
»Hier, sieh mal.« Matteo hat einen schmalen Band aus dem Regal geholt, und ich lächle unwillkürlich, als ich sehe, dass er Gedichte von John Keats enthält.
Ich mag den englischen Dichter, der als Hauptautor der englischen Romantik gilt – etwas, dass ich mit Matteo teile, und als unsere Blicke sich begegnen, fühle ich mich ihm auf einmal sehr nah. So verschieden sind wir gar nicht, denke ich, und spüre, wie mein Herz schneller schlägt.
»Deine Mutter ist übrigens sehr nett«, sagt er und lehnt sich mit einem Lächeln an eines der Regale.
Ich weiß nicht, ob er das einfach nur so sagt oder ob es ein weiterer Versuch ist, mich von meinen Sorgen abzulenken. Sollte es Letzteres sein, dann funktioniert es. Denn darüber, dass er und meine Mutter sich doch noch begegnet sind, musste ich schon auf der Fahrt nachdenken.
Ich hätte gerne Dad gefragt, warum Mum so verändert wirkt, aber ich hatte noch keine Gelegenheit dazu. Mum ist nämlich lange geblieben – und ich habe es nach dem ersten Schock über ihr ungewöhnliches Verhalten sehr genossen, dass sie so zugänglich und interessiert war. Zum ersten Mal seit einer kleinen Ewigkeit konnte ich wirklich mit ihr reden. Von Matteo und meiner Affäre mit ihm habe ich ihr zwar nichts erzählt, aber sie scheint es zu ahnen, denn sie hat mich über ihn ausgefragt, wollte alles ganz genau wissen. Darüber habe ich glatt die Zeit vergessen, deshalb musste ich mich am Ende sehr beeilen mit dem Umziehen, weil es schon so spät war. Rechtzeitig geschafft habe ich es trotzdem nicht, Matteo ist währenddessen gekommen, also hat Mum ihn hereingelassen. Und tatsächlich ist gar nichts Dramatisches passiert. Als ich dazukam, unterhielten sie sich nur ganz entspannt, und Mum hat mir, als sie ging, zugezwinkert – was wohl heißen sollte, dass sich durch das Gespräch ihr guter Eindruck von Matteo bestätigt hat.
»Ich glaube, sie war auch ganz begeistert von dir«, erwidere ich und kann eigentlich immer noch nicht fassen, dass Mum sich überhaupt nicht auffällig verhalten hat, sondern fast so, als wäre sie gar nicht krank.
Während ihrer manischen Phasen drehen sich die Gespräche mit ihr nämlich meist nur um sie und ihre – teilweise absurden – Pläne, weil sie einem dann gar nicht richtig zuhört. Und in ihren depressiven Phasen redet sie kaum und zieht sich ganz in sich zurück. Man gewöhnt
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