Verfuehrt
… wollte mich erkundigen, wie es mit der Expertise vorangeht, und mich vergewissern, ob ich vielleicht irgendwie behilflich sein kann.« Ich dachte eigentlich, dass es eine sehr gute Erklärung für mein Kommen wäre, aber als ich es jetzt sage, klingt es irgendwie fadenscheinig. Zum Glück reißt jedoch eine erneute Windböe an unseren Kleidern und nimmt uns den Atem, deshalb schiebt Lord Ashbury mich erst mal durch die Tür, die der Butler in diesem Moment endlich öffnet, in das trockene Haus.
»Was für ein Wetter«, stöhnt er, als wir drinnen in der imposanten Halle stehen. »Ich war gerade draußen bei den Ställen, um nach dem Rechten zu sehen, und unser Stallmeister meinte, da braut sich ein handfester Sturm zusammen!«
Das hat Nigel auch zu mir gesagt, als ich ihm am Telefon erklärt habe, dass mir im Moment einfach die Ruhe fehlt, um eine Ausstellungseröffnung zu genießen, und ich lieber noch mal nach Ashbury Hall fahren will, um zu sehen, wie weit Matteo ist. Nigel meinte, das Haus sei durch seine Alleinlage viel zu exponiert, und ich müsste mich beeilen, damit ich vor dem Sturm zurück bin. Ich dachte, das wäre nur vorgeschoben, damit ich nicht so lange bleibe. Dabei hätte ich wissen müssen, dass er auch bei solchen Aussagen sehr verlässlich ist.
»Ist meine Frau schon wieder da, Mallory?«, erkundigt sich Lord Ashbury sichtlich besorgt bei dem Butler, während er ihm seinen Mantel reicht – und meinen gleich auch noch, der vollkommen durchnässt ist.
»Nein, Sir. Aber sie hat vorhin angerufen. Sie ist bereits auf dem Rückweg.«
»Gut. Dann sagen Sie mir Bescheid, sobald sie hier eintrifft. Und Elderwood soll nach dem Notstromaggregat sehen, nur für den Fall. Sie wissen ja, wie wenig meine Frau es leiden kann, wenn wir hier im Dunkeln sitzen.« Er zuckt entschuldigend mit den Schultern, als er meinen überraschten Blick auffängt. »Die Elektrik ist sehr anfällig, vor allem bei Gewitter«, fügt er erklärend hinzu, während der Butler sich auf den Weg macht, um die Anweisungen seines Arbeitgebers zu erfüllen.
Na, großartig, Sophie, denke ich mit einem Anflug von Verzweiflung, und schaue Lord Ashbury unsicher an, der nicht recht zu wissen scheint, was er jetzt mit mir anfangen soll. Da reißt du dich zwei Tage lang bei schönstem Sommerwetter zusammen, und dann suchst du dir ausgerechnet diesen stürmischen Abend aus, um doch noch herzukommen – wenn du unvernünftig bist, dann aber auch richtig.
»Ich schätze, ich komme gerade sehr ungelegen«, sage ich peinlich berührt. »Ich werde besser wieder fahren.«
»Nein, auf keinen Fall«, widerspricht mir Lord Ashbury, und seine Stimme klingt ernst. »Bei starkem Regen schwillt der Bach an und überflutet die Straße. Außerdem könnte der Wind Bäume entwurzeln. Warten Sie lieber erst das Schlimmste ab, bevor Sie sich wieder ins Auto setzen.«
Schweigend stehen wir für einen Moment voreinander, dann gibt er sich ganz klar einen Ruck. »Na, kommen Sie, ich bringe Sie zu Mr Bertani. Er arbeitet noch im blauen Salon, und wenn Sie schon mal da sind, können Sie ihn auch nach seinen Ergebnissen fragen.«
Er führt mich den Weg, den ich auch allein gefunden hätte, doch als wir die Tür fast erreicht haben, klingelt sein Handy. Besorgt blickt er auf das Display und geht dann sofort dran.
»Becca? Wo bist du, Darling? Was? Nein, bleib da. Ich komme sofort mit Elderwood.« Er legt wieder auf und macht schon zwei Schritte zurück in Richtung Eingangshalle, bevor ihm wieder einfällt, dass ich da bin.
»Beccas Wagen hat sich in der Bankette festgefahren. Ich muss mich darum kümmern«, sagt er und deutet vage auf die Tür. »Sie wissen ja Bescheid.« Dann geht er eilig und lässt mich allein.
Unsicher hole ich noch einmal tief Luft, bevor ich anklopfe. Doch drinnen bleibt alles still, also öffne ich die Tür vorsichtig und blicke ins Zimmer.
Es ist zwar erst kurz vor sechs, doch der heraufziehende Sturm hat den Himmel draußen verdunkelt, deshalb brennt die altmodische Lampe mit dem grünen Glasschirm, die auf dem Schreibtisch steht, und ihr Licht wirft lange Schatten.
Matteo sitzt am Schreibtisch vor seinem Laptop, und um ihn herum stapeln sich auf der Arbeitsplatte jetzt jede Menge Unterlagen – Bücher, Mappen und einzelne Papiere. Es ist ein richtiger Wust, und er scheint schon einige Zeit damit zu verbringen, sich durch dieses Chaos zu kämpfen, denn sein Jackett hängt hinter ihm über der Stuhllehne und die Ärmel seines
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