Verfuehrt
streicht mir eine Strähne meiner schwarzen Haare hinter das Ohr, streift, als er sie zurückzieht, sanft meine Wange. »Ich tue das für dich.«
6
Atemlos starre ich ihn an und spüre, wie sich Verlangen heiß in meinem Körper ausbreitet und ich ihm entgegenstrebe. Ich kann das nicht aufhalten, und ich will es auch nicht mehr. Er kann als Gegenleistung verlangen, was er will, und ich werde bezahlen – mit Freuden sogar …
Ein greller Blitz erhellt plötzlich das Zimmer, gefolgt von einem ohrenbetäubenden Donner direkt über dem Haus, der mich heftig zusammenzucken lässt. Das entfernte Grollen des Gewitters hatte ich die ganze Zeit über schon wahrgenommen, doch jetzt erst sehe ich, dass die Wolken am Himmel bedrohlich schwarz geworden sind. Die Schreibtischlampe, die gerade noch brannte, flackert auf einmal und erlischt einen Augenblick später ganz, lässt Matteo und mich in Dunkelheit zurück.
Unsicher taste ich nach ihm, finde seine breite Brust, spüre, wie er die Arme um mich legt und mich an sich zieht. Zitternd atme ich seinen vertrauten Duft ein, fühle seine Hände auf meinem Rücken, meinem Po.
»Das sollten wir nicht tun, Sophie!«, sagt er heiser an meinem Ohr, doch ich höre ihm gar nicht zu, weil sein Mund meine Wange streift und mich am Denken hindert. Und dann, endlich, fühle ich seine Lippen auf meinen, öffne sie ihm willig und vergesse alles um mich herum.
Es ist jedoch nur ein kurzer Moment des Glücks, denn in der nächsten Sekunde wird hinter uns die Tür aufgerissen, und das Licht einer Taschenlampe fällt ins Zimmer. Abrupt lässt Matteo mich wieder los und tritt einen Schritt zurück, sodass wir, als uns der Schein von Lord Ashburys Taschenlampe trifft, weit genug auseinander stehen, dass niemand auf die Idee kommen würde, wir hätten uns gerade geküsst. Und in dem schlechten Licht kann vermutlich auch niemand sehen, wie heiß meine Wangen brennen.
»Es hat leider die Oberleitung erwischt, wie so oft bei Sturm«, erklärt Lord Ashbury und kommt näher. »Das kennen wir schon, aber ich denke, das Notstromaggregat springt gleich an, und dann – ah, sehen Sie, es werde Licht«, sagt er zufrieden, als in diesem Moment die Schreibtischlampe wieder flackert und dann anbleibt. In ihrem Schein mustert Lord Ashbury uns mit gerunzelter Stirn.
»Was ist denn mit Ihrer Frau?«, erkundige ich mich, weil mir die Situation ziemlich unangenehm ist. »Geht es ihr gut?«
»Ja, alles in Ordnung. Sie konnte das Auto doch selbst wieder freikriegen und herfahren.« Er stößt die Luft aus und blickt durch die Fenster nach draußen. »Aber jetzt wird es wirklich ungemütlich da draußen, und das scheint auch noch eine ganze Weile anzuhalten. Deshalb wollte ich Ihnen beiden anbieten, hier zu übernachten. Ich denke wirklich, dass es sicherer für Sie ist.«
Wie um seine Worte zu unterstreichen erhellt noch ein Blitz das Zimmer, gefolgt von einem Donnerschlag, der mich schon wieder zusammenzucken lässt, weil er so laut ist.
»Das Angebot sollten wir wohl besser annehmen«, erklärt Matteo auch in meinem Namen. Er weicht meinem Blick jedoch aus und gibt sich betont unbeteiligt, was mich ein bisschen kränkt.
Aber ich habe keine Gelegenheit, das mit ihm zu besprechen, weil Lord Ashbury sich erst ausgiebig nach dem Stand von Matteos Nachforschungen erkundigt und uns dann mitnimmt ins Speisezimmer, wo gleich das Essen serviert werden soll. Es ist ein großer Raum – kleine scheint es in diesem Haus gar nicht zu geben –, der von einem langen Tisch beherrscht wird. Die hochlehnigen, mit aufwändigen Schnitzereien verzierten Stühle lassen ihn ein bisschen wie eine Rittertafel wirken, was in diesem Herrenhaus-Ambiente irgendwie ganz stimmig ist, und die opulenten Gemälde an den Wänden, die fast ausschließlich Jagdszenen aus verschiedenen Epochen zeigen und Lord Ashburys Kunstleidenschaft schön dokumentieren, runden den altmodischen Eindruck ab. Das Einzige, was in dem Zimmer tatsächlich recht krass aus dem Rahmen fällt, ist Rebecca Ashbury, die bereits auf uns wartet.
Sie hat sich beim Umziehen nämlich richtig in Schale geworfen, trägt jetzt ein enganliegendes grasgrünes Taftkleid, das ihre blonden Haare leuchten lässt und ihre grünen Augen betont. Sie weiß sich definitiv in Szene zu setzen, denke ich und bin schon wieder wütend auf sie. Aber das beruht auf Gegenseitigkeit, denn sie ist auch alles andere als begeistert, als sie mich vor Matteo den Raum betreten sieht.
»Miss Conroy!
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