Verfuehrt
ein paar Wochen hätte ich das wahrscheinlich wirklich noch nicht getan. Aber in Matteos Armen bin ich eine andere. Viel freier. Und viel, viel schutzloser.
Darüber kann ich jedoch nicht mehr weiter nachdenken, denn Matteo lässt mich wieder los und streift sich mit wenigen, sicheren Bewegungen den Rest seiner Kleider ab. Es nimmt mir den Atem, als er nackt vor mir steht, und ich strecke unwillkürlich die Hand nach ihm aus, muss ihn anfassen. Wie von selbst finden meine Finger die breite Narbe auf seiner Brust und fahren darüber. Es ist wie ein Reflex, so als würde ich magisch davon angezogen, und fast erwarte ich, dass er mich aufhält und mir verbietet, ihn dort zu berühren.
Es war bis jetzt ein Tabu, etwas, an das ich nur ganz selten rühren durfte, so als würde ihn diese Wunde immer noch schmerzen. Doch nun lässt er es zu, und ich suche in seinen Augen vergeblich nach der abwehrenden Härte, die sonst oft darin lag. Sie glitzern nur warm, wie eine Einladung, und ich halte seinen Blick fest, während ich weiter die Unebenheiten des weißen Streifens erkunde.
Es waren Scherben, die in verletzt haben, als er durch eine Glastür gefallen ist. Das hat mir seine Großmutter Valentina in Rom erzählt – aber nicht, wie das passiert ist und wieso er nicht darüber reden will. Ich weiß nur, dass die Verletzungen so tief waren, dass er in Lebensgefahr schwebte, und ich spüre, wie mich ein Zittern durchläuft bei dem Gedanken, dass er hätte sterben können.
Sie gehört zu ihm, diese Narbe, denke ich, und ich wünschte, ich könne ihn danach fragen. Aber ich habe zu viel Angst, den Moment der Nähe zwischen uns zu zerstören, will diese neue Vertrautheit lieber genießen.
Als meine Finger seinen Hals erreichen, schiebe ich beide Hände über seine Schultern und verschränke sie in seinem Nacken. Matteo stößt die Luft aus und zieht mich wieder an sich, und als unsere Hüften sich berühren, spüre ich durch den Stoff meines Kleides, dass er schon wieder hart ist. Überrascht sehe ich nach unten – und blicke dann zu ihm auf. Grinsend zuckt er mit den Schultern und küsst mich.
»Du bist eine Sirene, Sophie. Wenn du mich berührst, bin ich verloren. Ich kann dir nicht widerstehen, schon gar nicht in diesem Kleid.«
»Dann zieh es mir doch endlich aus«, sage ich und lächle erwartungsvoll, als er meiner Aufforderung umgehend nachkommt.
***
Das helle Licht, das durch die Fenster hereinscheint, weckt mich. Oder vielleicht ist es auch die Tatsache, dass ich in Matteos Armbeuge liege, weich gebettet und an ihn geschmiegt.
Er schläft noch tief, ich merke es an seinen gleichmäßigen Atemzügen, deshalb bleibe ich einfach liegen und denke an die letzte Nacht. Sie war wie ein langer, aufregender Traum, der ein Lächeln auf mein Gesicht zaubert, und ich möchte mich nicht rühren und aufstehen, weil ich Angst habe, dass er im Licht vielleicht zerplatzt.
Und dann höre ich es wieder – das leise Piepsen meines Handys, das auch der Grund gewesen sein könnte, warum ich aufgewacht bin. Vorsichtig hebe ich den Kopf und drehe mich um, blicke über den Rand des Bettes. Meine Clutch liegt auf dem Boden neben dem Nachttisch, und ich seufze tief, weil ich eigentlich nicht will. Aber ich bin es einfach so gewohnt, immer erreichbar zu sein, dass ich es nicht aushalte, nicht nachzusehen, wer mir da eine SMS geschickt hat. Deshalb strecke ich mich und greife nach der Tasche, hole das Handy heraus und sehe aufs Display. Es ist eine Nachricht von Dad.
Muss dich sofort sprechen. Komm ins Büro.
Das ist für seine Verhältnisse ungewöhnlich harsch und kurz angebunden, deshalb zieht mein Magen sich zusammen. Es ist kein Notfall und es geht nicht um Mum – dann hätte er mich angerufen und dann wäre er nicht im Büro. Dass er an einem Sonntag arbeitet, ist nichts Besonderes, das tut er oft – aber dass er mich persönlich sprechen will, irritiert mich. Was gibt es so Wichtiges, dass er mir das nicht schreiben oder am Telefon sagen will?
Die Neugier treibt mich aus dem Bett. Möglichst leise, um Matteo nicht zu wecken, drehe ich mich von ihm weg. Doch als ich gerade aufstehen will, schließt sich seine Hand fest um mein Handgelenk, und er zieht mich wieder zurück.
»Willst du dich etwa schon wieder wegschleichen?«, fragt er mit vom Schlaf noch belegter Stimme und betrachtet mich stirnrunzelnd. Mir fällt wieder ein, dass ich das nach unserer ersten Nacht getan habe und dass ihm das gar nicht gepasst hat. Die Erinnerung
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