Verfuehrt
ob du mich auf den Jahresball der LBA begleiten willst. Deswegen bist du doch hier, oder nicht?«
Ich schüttele den Kopf. »Sarahs Schwägerin Grace hat mich eingeladen. Sie ist zur ›Young Business Woman of the Year‹ gewählt worden«, erkläre ich ihm.
»Grace Huntington?« Er kennt sie auch, über Alexander und Sarah, und ist sichtlich erstaunt. »Ihren Namen muss ich im Programm überlesen haben.« Das wurmt ihn – Nigel macht nicht gerne Fehler –, aber er erholt sich schnell. »Na ja, dann ist es ja wenigstens kein Beinbruch, dass ich wegen dieses unsäglichen Meetings so spät bin. Wenn ich gewusst hätte, dass du da bist, hätte ich es verschoben. Aber ein bisschen Zeit bleibt uns ja noch.« Er legt mir ganz selbstverständlich die Hand in den Rücken und will, dass ich ihm in den Saal folge. Doch ich bleibe stehen.
Es fällt mir schwer, es ihm zu sagen, weil mir bewusst ist, wie enttäuscht er sein wird. Aber ich kann es nicht ändern.
»Nigel, ich bin mit Matteo hier. Und wir wollten gerade gehen.«
Er bleibt stehen und starrt mich an. »Aha.«
Diese Information muss er erst mal verdauen, denn er schweigt für einen Moment, und ich kann sehen, wie es in seinem Gesicht arbeitet. Doch tatsächlich fängt er sich erstaunlich schnell wieder und lächelt, wenn auch etwas gezwungen, weil ihm offenbar ein Weg eingefallen ist, wie er das Problem lösen kann.
»Aber du musst ihn doch nicht begleiten, oder? Wenn du noch bleibst, dann könnte ich dir ein paar Leute von der LBA vorstellen, die ich kenne. Unsere Bank macht seit Jahren Geschäfte mit den Mitgliedern der Organisation, und das könnten nützliche Kontakte für das ›Conroy’s‹ sein.«
Kontakte für das »Conroy’s« – ein absolutes Totschlagargument. Und tatsächlich denke ich für einen Moment darüber nach. Es ist wie ein Reflex, den ich ganz schwer ablegen kann, weil ich jahrelang immer nur getan habe, was gut für unser Auktionshaus war. Aber jetzt will ich etwas für mich tun, deshalb schüttele ich den Kopf.
»Nein, ich muss gehen.«
Nigels Lächeln schwindet, und er schiebt seine Hand, die noch in meinem Rücken liegt, ein Stück weiter auf meine Hüfte, sodass er mich quasi umarmt. Sein Gesicht ist meinem plötzlich ganz nah.
»Wieso hast du so einen Narren an diesem Italiener gefressen, Sophie? Seit er da ist, bist du völlig verändert. Er ist nicht gut für dich.«
»Ich denke, das ist etwas, dass ich allein entscheiden kann«, sage ich und mache mich von ihm los, bringe Abstand zwischen uns, weil mir seine Nähe unangenehm ist.
»Das heißt, du gehst? Mit ihm?« Nigel starrt mich an.
Ich nicke und halte seinem Blick stand, registriere den Moment, in dem ihm endgültig klar wird, dass Matteo den Platz erobert hat, den er selbst gerne in meinem Leben einnehmen würde. Er kämpft sichtlich mit seiner Wut und seiner Enttäuschung, doch seine englische Zurückhaltung verbietet es ihm, mir in der Öffentlichkeit eine Szene zu machen, deshalb stößt er nur die Luft aus.
»Du musst wissen, was du tust«, sagt er und wendet sich ab, eilt, ohne sich noch einmal umzudrehen, auf den Eingang zum Lancaster Room zu. Er begegnet Matteo, der mit meiner Clutch in der Hand gerade den Saal verlässt, doch er geht grußlos an ihm vorbei.
»Ist der Kerl immer so unhöflich?«, fragt Matteo irritiert, als er mich erreicht, und tut das, was Nigel eben auch getan hat: Er legt den Arm um mich und zieht mich an sich. Doch an ihn schmiege ich mich gern, seufze zufrieden auf.
Matteos Stirn ist trotzdem noch gerunzelt. »War er die ganze Zeit schon da?«
Ich schüttele den Kopf. »Nein, er hatte ein Meeting in der Bank, deshalb ist er auch zu spät.«
»Wusstest du, dass er hier sein würde?« Matteo lässt mich los und mustert mich mit einem seltsamen Ausdruck im Gesicht. Misstrauisch irgendwie.
»Nein, das wusste ich nicht«, erwidere ich. Aber ich hätte es mir denken können, dass Nigel zu einer solchen Veranstaltung ebenfalls eingeladen ist. Ich hätte es sogar gewusst, wenn ich meine Mailbox abgehört hätte, denn dass er angerufen und mir etwas draufgesprochen hatte, war mir bewusst. Ich hatte nur keine Lust, seine Stimme zu hören.
»Und wieso war er so wütend?«, hakt Matteo nach.
Ich zucke mit den Schultern. »Er wollte, dass ich noch bleibe. Aber ich möchte lieber fahren«, sage ich und schiebe mit einem Lächeln meine Hand in Matteos.
Für einen Moment reagiert er nicht, fixiert mich nur ernst mit seinen unwiderstehlich
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