Verfuehrt
teile ich ihm mit und bin dabei selbst überrascht, wie entschlossen, beinah eisig meine Stimme klingt. »Ich werde dem ›Conroy’s‹ nicht schaden, darauf kannst du dich verlassen. Aber mit wem ich zusammen bin, ist meine Privatangelegenheit.«
Mein Vater ist sichtlich geschockt von meinem fehlenden Willen zum Einlenken. Aber er gibt auch nicht nach.
»Du musst wissen, was du tust. Ich hoffe nur, dass es nicht zu spät ist, wenn du wieder aufwachst und feststellst, dass ich recht hatte.«
»Das sehen wir ja dann«, erkläre ich ihm und greife nach meiner Tasche, weil ich ihm unter diesen Umständen nichts mehr zu sagen habe.
Als ich im Auto sitze und zurück nach Chelsea fahre, gehen mir seine Worte nach. Jetzt, wo ich mich nicht mehr verteidigen muss, kann ich mir eingestehen, dass es mich nicht nur wütend macht, sondern auch trifft, wie hart er mich angegangen ist. Doch es lässt meinen Entschluss nicht wanken.
Wie kann Dad sich so auf Nigels Seite stellen, ohne Matteo überhaupt eine Chance zu geben? Und wie kann Nigel es wagen, meinen Vater so gegen mich aufzuhetzen?
Ich kann die freundschaftlichen Gefühle, die ich für ihn hatte, gar nicht mehr heraufbeschwören, bin wie vor den Kopf geschlagen davon, wie er sich seit meiner Rückkehr verhalten hat. Offenbar habe ich total unterschätzt, wie sehr er und Dad sich schon auf den Gedanken versteift hatten, dass aus Nigel und mir ein Paar wird. Sie sind offenbar beide davon ausgegangen, dass ich nur noch ein bisschen Zeit brauche, und wenn ich ehrlich bin, habe ich das wohl auch mal so gesehen. Aber das war, bevor ich gemerkt habe, dass mir nur Verständnis und Freundschaft nicht reicht. Dass meiner Beziehung zu Nigel immer etwas fehlen würde, was ich bei Matteo gefunden habe.
Ob es mit ihm funktionieren kann, weiß ich immer noch nicht, aber während ich durch das sonntäglich ruhige Chelsea fahre, geht es mir besser als seit langem. Mein Herz klopft wild und voller Vorfreude, der Himmel ist ein bisschen blauer als sonst und die Sonne ein bisschen strahlender. Ich bin glücklich, denke ich, und genieße dieses ungewohnte, überschäumende Gefühl, das immer stärker wird, je näher ich Matteos Haus komme.
Ich finde sofort einen Parkplatz, was ich in meinem Überschwang als gutes Zeichen werte, und laufe lächelnd zurück zur richtigen Hausnummer.
Doch als ich klingele, öffnet mir nicht Matteo, sondern eine brünette Frau in einem apricotfarbenen Kostüm. Sie ist um die sechzig und ich erkenne sie sofort wieder, weil ich ihr Bild bei meinen Recherchen über Matteo im Internet schon mehrfach gesehen habe: Es ist Matteos Mutter Harriet Sanderson.
»Oh, Sie müssen Sophie sein! Kommen Sie bitte rein«, sagt sie und lächelt freundlich. Trotzdem bin ich plötzlich irgendwie befangen, weil ich nicht damit gerechnet hatte, dass Matteo nicht mehr allein sein könnte.
»Aber ich will nicht stören«, sage ich und zögere. »Ich … wusste nicht, dass Sie schon zurück sind, Mrs Sanderson.«
»Das konnten Sie auch nicht wissen, weil ich gestern Abend sehr spontan den Entschluss gefasst habe, mich in den nächsten Flieger zurück nach London zu setzen.« Sie macht eine resolute Geste, die mir bedeutet, dass ich auf jeden Fall eintreten soll. »Und nennen Sie mich Harriet«, fügt sie noch hinzu, während wir in das Wohnzimmer im Erdgeschoss gehen.
Bisher kenne ich eigentlich nur den oberen Teil des Hauses – Matteos Schlafzimmer und das Bad, um genau zu sein –, deshalb sehe ich mich neugierig um. Ich finde den Eindruck bestätigt, den ich schon hatte, als ich vorhin im Rausgehen einen kurzen Blick in einige Räume geworfen habe: Es ist alles sehr edel eingerichtet. Keine Experimente, kein Stilmix, keine Designerstücke, eher ein konservatives, aber sehr stimmiges Gesamtbild, das davon zeugt, dass die Hausherren wert auf Stil legen und das nötige Vermögen haben, um das auf sehr hohem Niveau umzusetzen. Auch hier hängen Gemälde an den Wänden, und mir fällt sofort ins Auge, dass es fast alles englische Maler sind. Mit einer Ausnahme – über dem Sofa hängt ein Bild, das eine Kleinstadtszene zeigt, mit einem hübschen weißen Kirchturm, der in einen blauen Himmel ragt, und wunderschönen Licht- und Schattenspielen auf den Gebäuden, die die Einsamkeit der menschenleeren Straße betonen.
»Das ist von Edward Hopper«, sage ich überrascht und trete näher, um es mir anzusehen. Harriet folgt mir lächelnd und betrachtet das Gemälde ebenfalls.
»Es
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