Verfuehrt
doch noch näher zu bringen. Aber er scheitert, denn Dads Lächeln verschwindet bis auf einen winzigen Rest, der wahrscheinlich nur deshalb auf seinen Lippen bleibt, weil er mich nicht vor den Kopf stoßen will.
»Das geht leider nicht«, sagt er. »Ich bin schon mit Nigel zum Lunch verabredet.«
Ich schlucke meine Enttäuschung herunter und halte seinem Blick stand. »Das könntest du absagen.«
Dad zuckt mit den Schultern. »Oder du sagst Signore Bertani ab und gehst stattdessen mit mir und Nigel essen.«
»Nein.« Ich schnaube, weil er genau weiß, dass ich das nicht tun werde. Und weil es mir wehtut, dass er so unglaublich stur ist. »Dad, es wäre mir wichtig.«
»Mir ist das auch wichtig, Sophie.«
Wütend schüttele ich den Kopf. »Wieso bist du so gegen Matteo? Warum kannst du nicht akzeptieren, dass er mich glücklich macht?«
»Weil ich das nicht glaube, deshalb. Im Gegenteil, ich glaube, dass er dich sehr unglücklich machen wird. Du hast den Bezug zur Realität verloren, seit er aufgetaucht ist, du willst nicht sehen, dass er hier nicht reinpasst. Es war ein schöner Traum, ganz bestimmt sogar. Aber es wird Zeit, die rosarote Brille abzusetzen und wieder vernünftig zu werden.«
»Vielleicht will ich aber nicht mehr vernünftig sein«, erkläre ich ihm. »Vielleicht gefällt es mir besser, unvernünftig zu sein.«
»Ich dachte, wir beide hätten bei deiner Mutter recht eindrücklich miterlebt, wohin es führt, wenn man sich nicht unter Kontrolle hat.« Dads Stimme ist schneidend und sein Blick vorwurfsvoll, und beides trifft mich, verletzt mich.
»Was wäre denn in deinen Augen vernünftig, hm? Soll ich Nigel heiraten? Ist es das, was du willst?«
»Es wäre zumindest sehr viel vernünftiger als eine Beziehung zu diesem Italiener. Nigel und du, ihr habt so viel gemeinsam. Ihr habt ein Fundament, auf dem ihr aufbauen könnt – wenn du ihm eine Chance geben würdest, anstatt dich in etwas hineinzusteigern, das nicht halten wird. Mit Bertani kann es nicht funktionieren, und ich wünschte, du würdest das einsehen.«
Ich schüttele den Kopf, weil ich merke, dass es keinen Zweck hat. Dad wird nicht nachgeben, egal, was ich tue. Und so traurig es mich macht – dann werde ich es auch nicht weiter versuchen. Deshalb stehe ich ohne ein weiteres Wort auf und gehe.
In meinem Büro lasse ich mich schwer auf meinen Stuhl sinken und schließe die Augen, fühle mich innerlich zerrissen.
Die letzten Tage waren für mich wie ein glücklicher Rausch. Matteo ist nach dem Besuch in Ashbury Hall letzte Woche Sonntag abends in meine Wohnung gekommen und geblieben, und seitdem verbringen wir jede freie Minute miteinander. Ich zeige ihm mein London, die Pubs und Cafés abseits vom Touristentrubel, und die Galerien und Museen, die ich besonders interessant finde. Und er zeigt mir, wie sehr er mich begehrt, liebt mich oft mit einer fast verzweifelten Heftigkeit, so als könnte er nicht genug von mir bekommen. Die Tatsache, dass wir beide wissen, dass wir uns bald trennen müssen – zumindest für eine Weile –, macht die Zeit, die wir zusammen haben, umso kostbarer. Aber es ist anders als in Rom. Damals dachte ich, dass es keine Chance für mich gibt, wirklich mit ihm zusammen zu sein. Erst jetzt bin ich bereit, es zu versuchen, weil ich weiß, wie sehr ich ihn in meinem Leben will, wie furchtbar ich mich fühle, wenn er nicht bei mir ist. Und ich bin sicher, dass es Matteo genauso geht, auch wenn er nie konkret wird, wenn wir darüber sprechen.
Es wird nicht einfach, das ist uns beiden klar, und genau deshalb würde ich mir wünschen, dass Dad mich unterstützt. Aber wenn er glaubt, dass ich Matteo aufgebe, nur weil es ihm nicht passt, dass ich mit ihm zusammen sein will und nicht mit Nigel, dann irrt er sich, denke ich und lenke mich von meinem Ärger ab, indem ich mich dem Stapel unbeantworteter Post widme, der auf meinem Schreibtisch liegt. Ich will ihn erledigt haben, bis Matteo kommt, um mich zum Essen abzuholen.
Doch als ich um halb eins – dem verabredeten Zeitpunkt – fertig bin, ist er noch nicht da. Was mich wundert, denn er verspätet sich sonst nie. Aber da er auch nicht an sein Handy geht, bleibt mir nichts anderes übrig als zu warten. Deshalb schreibe ich seufzend noch ein paar Rechnungen und versuche, die Unruhe zu unterdrücken, die mich plötzlich erfasst hat.
Sie geht erst weg, als es um zehn vor eins endlich an meine Tür klopft, und ich lächle erleichtert – nur um einen Moment
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