Verfuehrt
völlig fassungslos in sein Gesicht, auf dem ein eisiger Ausdruck liegt. Eisig und ablehnend.
»Ich bin fertig mit der Expertise«, sagt er, so als würde das alles erklären und macht sich von mir los, geht zurück ins Haus.
Während ich ihm folge, rasen meine Gedanken zurück und ich versuche mich zu erinnern, ob heute Morgen schon irgendetwas darauf hingedeutet hat, dass er abreisen will. Aber da war noch alles in Ordnung. Er war bei mir, ich bin in seinen Armen aufgewacht, habe uns Frühstück gemacht und als ich zur Arbeit musste, ist er zurück zum Haus seiner Mutter gefahren, um dort die Expertise zu beenden. Wir haben uns zum Essen verabredet und zum Abschied geküsst, und seine Augen haben warm geleuchtet. Glücklich. Das habe ich mir nicht eingebildet, da bin ich ganz sicher. Doch es ist schwer vorstellbar, wenn man es mit dem eisigen Blick vergleicht, mit dem Matteo mich jetzt mustert. So als wäre ich eine Fremde. Jemand, mit dem er nichts zu tun hat.
Im Hausflur zwinge ich ihn wieder, stehen zu bleiben und mich anzusehen. »Heute Morgen war noch nicht die Rede davon, dass du fahren willst«, sage ich und hoffe immer noch darauf, dass das alles ein Scherz ist. Oder dass ich gleich aufwache aus diesem Albtraum.
Matteos Gesicht bleibt jedoch ernst, und er stößt die Luft aus. Klingt genervt. »Aber jetzt will ich es. Ich hätte längst fahren sollen.«
»Warum?« Ich spüre, wie der Schock über sein ablehnendes Verhalten in Zorn umschlägt. »Matteo, wieso bist du so seltsam? Was hat sich denn plötzlich geändert?«
Er antwortet nicht, sondern greift auch noch nach der Ledertasche mit den Unterlagen, die er aus Rom mitgebracht hat, und will damit wieder nach draußen zum Auto. Doch ich stelle mich in die Tür und versperre ihm den Weg.
»Erklär es mir«, verlange ich und halte seinem grimmigen Blick stand, weil ich ihn so auf gar keinen Fall gehen lassen kann.
Er verzieht den Mund zu einem Lächeln – seinem ersten –, doch es ist nicht charmant und strahlend wie sonst, sondern kühl und distanziert. Fast herablassend. Es soll mir wehtun, und das gelingt ihm ganz hervorragend.
»Ich habe mich einfach daran erinnert, warum ich Beziehungen aus dem Weg gehe, okay? Ich hätte beinahe …« Er verzieht das Gesicht und schüttelt den Kopf, so als müsste er gegen etwas ankämpfen, doch dann hat er sich wieder unter Kontrolle. »Ich hätte es beinahe vergessen. Aber jetzt weiß ich zum Glück wieder, dass es keine gute Idee wäre.«
»Wovon sprichst du?«, hake ich nach, doch er hebt die Hand, wehrt mich erneut ab.
»Außerdem war es von Anfang an so abgemacht, Sophie. Ich komme mit und übernehme die Expertise. Und dann fahre ich zurück. Was ich jetzt tue.«
»Aber du hast gesagt, du kommst wieder. Du hast gesagt, du bist jetzt öfter in London.«
Er schnaubt. »Wir wissen doch beide, dass das nicht funktionieren würde. Du hast hier ganz offensichtlich alles, was du brauchst, und ich habe in Rom alles, was ich brauche. Dein Leben ist hier, meins dort, das passt nicht zusammen. Belassen wir es einfach dabei.«
»Aber …«
»Nein, Sophie«, unterbricht er mich. »Ich will es nicht. Ich kann das nicht. E basta adesso .«
»Was?« Das ergibt alles überhaupt keinen Sinn, und ich bin so perplex, so fassungslos, dass ich ihn nicht aufhalte, als er mich zurück auf die Treppe schiebt und die Haustür zuzieht, sie abschließt. Und er sich mit jedem Handgriff mehr von mir entfernt.
Er meint das ernst, denke ich und starre ihm von den Stufen aus nach, sehe, wie er auch noch die letzte Tasche in den Kofferraum legt. Er will wirklich fahren.
»Nein!« Ich laufe die Stufen hinunter und bin bei ihm, bevor er den Kofferraum schließen kann, greife nach ihm und erwische seine Hand, halte sie fest. »Das stimmt nicht.«
Die Berührung überschwemmt mich mit Erinnerungen, mit allem, was uns verbindet, seit ich ihn in Rom getroffen habe, und ich glaube, plötzlich das Gleiche in seinen Augen zu sehen. Deshalb schlinge ich die Arme um seinen Hals, ziehe ihn zu mir herunter und küsse ihn.
Für einen Moment steht er stocksteif und ich fürchte schon, dass er mich wegstößt. Doch dann gibt er nach, und mein Herz jubiliert, als er mich an sich presst und meinen Kuss erwidert, mich verschlingt mit einer fast brutalen Leidenschaft. Ich halte dagegen, kralle mich an ihm fest, spüre seine Hände in meinem Rücken, in meinem Haar und lasse ihn fühlen, was er gerade geleugnet hat. Er kann mir nicht
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