Verführt im Harem des Scheichs
stellte sie jetzt fest, als er sich mit ihnen durchs Haar fuhr – waren überraschend schmal, wirkten aber trotzdem kraftvoll. Einen Moment lang sah er aus wie ein kleiner Junge. Doch tatsächlich war er ein starker und mächtiger Mann. Sie würde ihm gehorchen müssen, ob sie wollte oder nicht.
Allerdings gehörte Celia nicht zu den Frauen, die gehorchten, ohne die Dinge zu hinterfragen. Also nahm sie all ihren Mut zusammen und erkundigte sich: „Fürchten Sie, die Angreifer könnten zurückkehren? Wollen Sie mich deshalb nicht zum Hafen zurückbringen?“
Erleichtert stellte sie fest, dass er den Kopf schüttelte. „Jetzt, da die Feinde wissen, dass Sie unter meinem Schutz stehen, werden sie jede weitere Auseinandersetzung scheuen. Bei Allah, ich empfinde es als Schande für mich und mein Reich, dass sie den Angriff heute früh überhaupt gewagt haben. Auch kann ich nicht begreifen, dass niemand erkannt hat, dass die Männer, die Sie bewachen sollten, in Wirklichkeit Verräter waren.“ In Gedanken setzte er hinzu: Vor ein paar Monaten hätte Bakri noch Verdacht geschöpft, ehe es zu spät war. Wie traurig, dass der treue Diener den Tod gefunden hatte, weil er zu alt geworden war, um die Gefahr rechtzeitig zu erkennen.
„Ich werde Ihnen nie genug dafür danken können, dass Sie mein Leben gerettet haben.“ Impulsiv legte sie ihre Hand auf die seine.
Ihre Finger wirkten sehr weiblich. Sie gefielen ihm, ebenso wie ihre angenehm kühle und helle Haut. Englische Frauen – das wusste er – bekamen im Wüstenklima oft einen hässlichen roten Teint, oder sie entwickelten unzählige Sommersprossen. Sie hingegen sah hinreißend aus. Unwillkürlich fragte er sich, ob ihr Körper wohl überall so vollkommen war. Doch sogleich rief er sich zur Ordnung. „Sie werden mich nach Balyrma begleiten. Es geht nicht anders“, erklärte er.
„Wie lange werde ich dort bleiben müssen?“
Ramiz zuckte die Achseln. „Bis ich entschieden habe, was mit Ihnen geschehen soll.“
Celia begriff, dass sie keine Wahl hatte. Gewiss wäre es unklug gewesen, ihren Retter mit unsinnigen Fragen und Forderungen zu bedrängen. Wenn sie tat, was er wünschte, ergab sich vielleicht eine Möglichkeit, ihrem Vaterland einen Dienst zu erweisen. Schade, dass sie so wenig über den Auftrag wusste, den George hatte ausführen sollen. Die Vorstellung, England zu dienen, reizte sie ebenso wie die Chance, dieses faszinierende Land besser kennenzulernen. Vielleicht war es tatsächlich klüger, nicht gleich nach Kairo zu reisen, denn man würde sie von dort zweifellos so schnell wie möglich nach England zurückschicken.
„Wo werde ich in Balyrma wohnen?“, erkundigte sie sich.
„In meinem Palast.“
„Verzeihen Sie, Ramiz, doch das halte ich für keine gute Idee. Ich bin eine alleinstehende Frau und sollte nicht im Haus eines Mannes leben, der …“ Sie unterbrach sich. Es gehörte sich nicht, einem Fürsten Ratschläge zu geben. „Gewiss werden Ihre politischen Geschäfte Sie sehr in Anspruch nehmen“, schloss sie lahm.
Er lachte kurz auf. „Sie mögen wie ein Mann sprechen. Aber Sie können doch nicht leugnen, dass Sie eine Frau sind. Nun, ich versichere Ihnen, dass Sie sich um Ihre Tugend keine Sorgen zu machen brauchen. Ich werde Sie in jenem Teil des Palasts unterbringen, der den Frauen vorbehalten ist.“
Als er sich ihr zuwandte, schienen seine Augen von innen heraus zu leuchten. Ein wenig erschrocken senkte Celia den Blick. „Sie meinen, ich soll im Harem leben?“
„So ist es.“
Deutlich erinnerte sie sich plötzlich an einige der Bilder, die in dem Buch mit Scheherezades Erzählungen abgebildet gewesen waren. Spärlich bekleidete Frauen, die sich gegenseitig einölten und sich verführerisch auf Kissen aus Samt und Seide rekelten. Jetzt schaute sie den Prinzen doch wieder an, und ihre Stimme hob sich ein wenig, als sie sagte: „Das meinen Sie nicht ernst! Sie können mich unmöglich zu einer Ihrer Haremsdamen machen wollen!“
Es war das Wort Harem, das sie so aufregte. Das begriff Ramiz in diesem Moment. Damals, als er als Botschafter seines Vaters in den Ländern im Nordwesten unterwegs gewesen war, hatte er oft genug ähnliche Reaktionen erlebt. Die meisten Europäer schienen sich unter einem Harem eine Art Freudenhaus vorzustellen. Offenbar glaubten sie, dass es dort von Scharen nackter Frauen wimmelte, die nur darauf warteten, ihrem Herrn und Meister zu Diensten zu sein. Irgendwann hatte er es aufgegeben, ihre
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