Verführt im Harem des Scheichs
Trotzdem plagte ihr Gewissen sie.
George lebte nicht mehr. Sie war jetzt eine Witwe. Ach, wenn das alles doch nur ein Traum wäre! Ein Traum, aus dem sie gleich erwachen würde!
Sie stieß einen Seufzer aus und schwor sich, die Situation mit aller ihr zur Verfügung stehenden Würde zu meistern. Ihr Vater und Tante Sophia würden nichts anderes von ihr erwarten. Schließlich war sie die Tochter eines geachteten britischen Diplomaten und nun auch die Witwe eines Gesandten Seiner Majestät.
So kam es, dass sie sich erhob und sehr gerade hinstellte, als Ramiz einige Zeit später das Zelt betrat. „Hoheit“, begann sie, „es tut mir leid, wenn ich mich unpassend benommen habe. Bitte vergeben Sie mir. Mir ist bewusst, dass ich Ihnen mein Leben verdanke. Ich stehe in Ihrer Schuld.“ Sie versank in einem tiefen Knicks. „Leider habe ich bisher versäumt, mich vorzustellen. Ich bin Lady Celia Clevenden.“
„Lady Clevenden!“ Ramiz verbeugte sich. Er musste sich umgezogen haben, denn seine Galabija wies keine Blutflecken auf. „Ich wünschte, wir hätten uns unter anderen Umständen kennengelernt. Doch so, wie die Dinge nun einmal liegen, sind alle Formalitäten überflüssig. Wir müssen aufbrechen und uns einen möglichst sicheren Lagerplatz für die Nacht suchen.“
„Aber …“, stammelte sie.
„Hier können wir nichts mehr tun“, beruhigte er sie. „Die Tiere warten bereits. Gehen wir!“
Seine Stimme klang ungeduldig, und Celia fehlte die Kraft, sich auf eine Diskussion mit ihm einzulassen. Gehorsam folgte sie dem Scheich zu den Kamelen, ließ sich von ihm in den Sattel helfen und beobachtete, wie er ein wunderschönes, reinweißes Tier bestieg. Seine Satteldecke schien aus feinster Seide zu sein, und das Zaumzeug war mit Gold verziert.
Unter anderen Umständen wäre sie fasziniert gewesen und hätte sich vielleicht in eine Geschichte aus 1001 Nacht versetzt gefühlt. Doch nach allem, was sie erlebt hatte, war sie zu erschöpft, um mehr zu empfinden als den dumpfen Schmerz, der sie schon seit Stunden erfüllte. Erleichtert nahm sie zur Kenntnis, dass Ramiz ihr Kamel mit den anderen zusammengebunden hatte und es führte, sodass sie selbst sich um nichts zu kümmern brauchte.
Als sie zwei Stunden geritten waren, hatte die Sonne sich dem Horizont bereits so weit genähert, dass der Himmel in allen möglichen Rot- und Goldtönen erstrahlte.
„Hier werden wir lagern“, verkündete Ramiz und hielt die Kamele an.
Celia riss die Augen auf. So unglaublich es auch sein mochte, sie hatte den größten Teil der Strecke im Halbschlaf zurückgelegt. Nun allerdings war sie hellwach und führte jede Anweisung, die Ramiz ihr gab, gewissenhaft aus.
Schließlich saßen sie gemeinsam auf einem weichen Teppich, den Ramiz neben einem kleinen Feuer ausgebreitet hatte, und nahmen ein einfaches Mahl zu sich. Am Himmel stand jetzt eine schmale Mondsichel. Zunehmender Mond dachte Celia, das Zeichen für einen Neubeginn.
„Können Sie mir erklären, was sich heute Morgen zugetragen hat? Warum wir überfallen wurden und warum Sie zur Stelle waren, Hoheit?“
„Sie können mich Ramiz nennen, wenn wir allein sind.“ Um seine Lippen spielte ein winziges Lächeln. „Ich bin Ihnen gefolgt, weil ich wissen wollte, wen Ihre Regierung mir als Botschafter geschickt hat. Ich wollte mir ein Bild von ihm machen, ehe wir uns zum ersten Mal in unseren offiziellen Positionen begegneten. Es erstaunte mich sehr, dass der britische Gesandte seine Gattin mitgebracht hatte. Wenn ich geahnt hätte, dass Sie ihn begleiten, hätte ich andere Vorkehrungen für die Reise nach Balyrma getroffen.“
„Dass ich eine Frau bin, bedeutet nicht, dass man mich in Watte packen muss. Ich bin durchaus in der Lage, die Unannehmlichkeiten einer Reise auf mich zu nehmen.“
„Ja, das habe ich gemerkt. Aber darum geht es nicht. In meinem Land versuchen wir, den Frauen das Leben so angenehm wie möglich zu machen. Wir umsorgen sie und stellen ihre Bedürfnisse über die unsrigen. Wir schützen sie mit unserem Leben. Nicht so wie Ihr Gatte.“
Celia verändert ein wenig ihre Stellung. Sie war es nicht gewohnt, auf der Erde zu sitzen. „George“, begann sie, „hat nur … Er ist …“
„… weggelaufen“, vollendete Ramiz den Satz. „Obwohl er bewaffnet war. Mit seinem Gewehr hätte er sein eigenes Leben und das meines Dieners retten können.“
„Hoh… Ramiz“, verbesserte sie sich, „George war ein guter Mensch. Er war auf den Überfall
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