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Verführt: Roman (German Edition)

Verführt: Roman (German Edition)

Titel: Verführt: Roman (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Teresa Medeiros
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lockte sie mit gekrümmtem Zeigefinger näher. Lucy legte ihr Ohr an seinen Mund und hörte ihm genau zu. Dann nickte sie mit wachsender Freude.
    Sie richtete sich wieder auf. Wie gern hätte sie ihm ein ebenso wertvolles Geschenk gemacht, doch das war unmöglich. Schließlich griff sie in die Tasche ihres Umhangs und holte das abgenutzte Tagebuch Annemarie Snows heraus.
    Sie schaute ihm gerade ins Gesicht und nahm ihre ganze Courage zusammen, um die schwierigste Frage von allen zu stellen. »Bist du mein Vater, Smythe?«
    Sein Gesicht war so voller Bedauern, dass Lucy die Antwort schon kannte, bevor er noch zu sprechen ansetzte. »Der Himmel weiß, ich wünschte, ich wäre es. Ich war der einzige Vertraute Ihrer Mutter, aber niemals ihr Geliebter.«
    Die Enttäuschung brannte wie Säure in Lucys Kehle. »Dann stimmt es also. Sie hat nicht einmal genau gewusst, wer mein Vater ist.«
    »Das hat sie auch nie interessiert.« Smythe schluckte, als er Lucys bittere Miene sah, und nahm alle Kraft zusammen, die sein angegriffener Zustand zuließ. »Das Einzige, was sie interessierte, waren Sie, Miss Lucy. Der Admiral ist schon bald nach der Hochzeit nicht mehr in ihr Bett gekommen, aber sie war entschlossen, ein Kind zu haben. Sie wusste, dass Snow sich nie von ihr scheiden lassen würde. Und dass er immer für sie und das Kind sorgen würde. Aus Angst vor einem Skandal. Ich habe die Idee für recht verrückt gehalten, aber wie hätte ich es ihr ausreden können?«
    Vielleicht brauchte sie etwas, worum sie sich kümmern konnte , gingen Lucy Gerards Worte durch den Kopf. So einfühlsam, so scharfsichtig, so ganz Gerard. Gott, er fehlte ihr so!
    Smythe streckte die Hand aus, streichelte ihre Wange und schaute sie zärtlich an. »Sie dürfen nicht so streng mit ihr sein, Miss Lucy. Sie hat Sie so geliebt. Sie hat alles für Sie riskiert, sogar ihr Leben. Ich werde nie die Freude in ihrem Blick vergessen, als ich ihr ihr kleines Mädchen in die Arme gelegt habe.«
    Bewegt von seinem Einfühlungsvermögen, senkte Lucy den Kopf. Smythe hatte ihr ein Geschenk gemacht, dass alles übertraf, was er ihr zuvor gegeben hatte – er hatte sie der Liebe ihrer Mutter versichert, was so wunderbar und herzzerreißend war, dass es die Schranken von Zeit und Tod überwand.
    Sie schlang ihm die Arme um den Hals. Er erwiderte die Umarmung, und seine Hände schienen mit jedem geflüsterten Wort an Stärke zu gewinnen. »Sie wissen ja gar nicht, wie oft ich mich danach gesehnt habe, Sie in die Arme zu schließen, Miss Lucy. Aber ich hatte Angst, der Admiral würde mich des Hauses verweisen. Also war ich gezwungen, untätig zuzuschauen, wie er Ihre fröhlichen Lebensgeister erstickt hat.«
    Als Smythe sie an die Grausamkeiten des Admirals erinnerte, wurde Lucy wieder bewusst, wie dramatisch die Lage war. Sie lehnte sich zurück, sah Smythe in die Augen und entdeckte in ihren Tiefen eine Spur des vertrauten Funkelns. »Tu so, als würdest du deine Medizin nehmen, aber schluck sie nicht herunter. Das Personal muss glauben, dein Zustand sei unverändert. Ich komme bald wieder her. Ich schwöre es.«
    Er drückte fest ihre Hand. »Passen Sie gut auf sich auf, meine liebe Lucy. Er gehört nicht zu denen, die eine Niederlage würdig hinnehmen können.«
    Lucys Züge wurden hart. »Dann ähneln wir einander vielleicht mehr, als wir es wahrhaben wollen.«
     
    Am Tag, als Gerard Claremont, alias Captain Doom, wegen fortgesetzter Piraterie über einen Zeitraum von sechs Jahren, der Entführung einer gewissen Miss Lucinda Snow und Hochverrat an seiner Majestät dem König der Prozess gemacht werden sollte, erwachte Lucien Snow hochgradig übellaunig.
    Seine Laune verschlechterte sich weiter, als das Frühstück zu spät serviert wurde, die Bücklinge kalt waren und die Orden noch nicht poliert, die er bei seiner Zeugenaussage heute Nachmittag auf seiner Lieblingsuniform zur Schau zu stellen gedachte.
    Verdammter Smythe! Er knallte die Haube aufs Serviertablett. Der gemeine Verräter hatte für zehn gearbeitet. Und dass er ausfiel, riss ein riesiges Loch in des Admirals geliebte tägliche Rituale.
    Wenn Claremont erst einmal tot war, überlegte er, konnte man den Butler vielleicht wieder ins Haus holen. Bis dahin würden sie ihn fügsam genug gemacht haben. Smythe würde genug damit zu tun haben, das zweifelhafte Schicksal seiner geliebten Lucy zu beklagen, und zudem würde die Laudanumsucht schon dafür sorgen, dass er sich loyal verhielt. Vielleicht,

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