Verfuehrt, Verlobt - Verraten
nicht genügend Zeit genommen hat, um eine wirkliche Beziehung zu mir aufzubauen. Sie hat das ausgenutzt. Sie hat sich seinen Stolz zunutze gemacht, hat gedroht, schmutzige Wäsche in der Öffentlichkeit zu waschen, sollte er um das Sorgerecht kämpfen. Sie hat ihn davon überzeugt, dass er als Vater versagt hat, dass Besuche und der Kontakt zu seinem Sohn nur schaden würden, weil es angeblich die Routine störte. Sie setzte mich als ihre Trumpfkarte ein.“ Er machte eine Pause. „Herrgott, wenn ich heute daran denke … Als sie starb, ließ er mich durch seinen Anwalt um ein Treffen bitten. Ich habe abgelehnt. Weil ich zugelassen habe, dass sie über Jahre hinweg meine Sichtweise manipuliert. Die ganze Sache war ein Chaos. Ist es immer noch. Alberto wusste nicht, wie es um seine Firma bestellt ist. Er hat sich auf seinen langjährigen Buchführer verlassen, aber der Mann hat ihn über die prekäre Lage im Dunkeln gelassen. Und wie der Elefant im Porzellanladen nutze ich das natürlich als meine Einleitung.“
„Hör auf, dir Vorwürfe zu machen, Giancarlo. Du warst noch ein Kind, als du von hier weggingst, wie hättest du die Wahrheit erkennen sollen? Wie hat Alberto es aufgefasst? Er ist alt und schwach. Es muss doch für euch beide gut sein, dass die Wahrheiten ans Tageslicht gekommen sind, oder? Das gibt euch die Chance für einen Neuanfang, auch wenn ihr beide einen hohen Preis bezahlt habt.“
Er lächelte schief. „Nun, so kann man es vermutlich auch sehen.“
„Ich weiß, die Situation ist alles andere als ideal, aber wie viel schlimmer wäre es für Alberto gewesen, in dem unpersönlichen Zimmer einer Bank oder in einer Anwaltskanzlei zu erfahren, dass alles, wofür er sein Leben lang gearbeitet hat, zerstört ist?“
Er schloss die Augen, gab Caroline damit die Zeit, ihn in Ruhe zu betrachten. Ihn so zu sehen, so verletzlich und aufgewühlt, berührte etwas tief in ihr, ließ ihr Herz heftiger schlagen und ihren Puls schneller gehen. Sollte sie sich etwa in ihn verlieben? Sicherlich nicht, denn das wäre völlig verrückt, und sie tat nie etwas Verrücktes. Doch Giancarlo ließ sie sich lebendig fühlen auf eine Art, die alle ihre Emotionen über die Maßen verstärkte. Es war neu, es war gefährlich, und es war ein wunderbares Gefühl.
„Eine Wiedergutmachung ist längst überfällig“, hob Giancarlo an. „Ich werfe meiner Mutter nicht vor, dass sie war, wie sie war. Zudem muss ich meinen Teil an Verantwortung akzeptieren, weil ich nichts hinterfragt habe, als ich alt genug war.“ Er hob abwehrend die Hand, so als wollte er möglichen Widerspruch von ihr von vornherein unterbinden. Dabei hatte Caroline im Moment genug damit zu tun, die eigenen Gedanken zu ordnen, anstatt Einwände vorzubringen.
„Ja, sicher“, murmelte sie abwesend und nickte nur. Obwohl er sich wohl einige Gläser Whiskey genehmigt hatte, funktionierte sein Verstand noch immer schärfer als bei manch anderen im nüchternen Zustand. Er mochte hohe Erwartungen an andere haben, aber er stellte noch höhere an sich selbst. Er war brutal ehrlich, aber auch fair. Gab man noch sein umwerfendes Aussehen zu diesem Mix … war es da ein Wunder, dass ihr unerfahrenes albernes Herz so empfänglich schien? Nur sollte diese verständliche Reaktion sicherlich nicht mit Liebe verwechselt werden.
„Das Mindeste, was ich tun kann, ist“, fuhr er jetzt so leise fort, dass sie sich anstrengen musste, ihn zu verstehen, „und das habe ich Alberto auch schon gesagt, dass ich Leute für ihn besorge, die erst einmal die Firma auf Vordermann bringen. Alte Freunde und langjährige Mitarbeiter sind gut und schön, nur sieht es aus, als hätten sie es mit der Zeit zu sehr schleifen lassen. Neue Leute werden Schwung hineinbringen und dafür sorgen, dass der frühere Glanz wieder hergestellt wird und auch erhalten bleibt. Mein Vater wird seine Firma behalten. Das Gleiche gilt für seine Villa.“
Ein strahlendes Lächeln zog auf Carolines Gesicht. „Oh, ich bin so glücklich, das von dir zu hören, Giancarlo.“
„Du meinst, du trumpfst jetzt nicht auf mit ‚Ich habe es dir gesagt‘? Auch wenn du es gesagt hast?“
„Das würde ich nie tun! Ich bin wirklich froh, dass ich nach unten gekommen bin. Ich habe unruhig geschlafen, und als ich aufwachte, galt mein erster Gedanke euch beiden, ob auch alles in Ordnung ist.“
„Würdest du mir glauben, wenn ich dir sagte, dass ich auch froh bin, dass du nach unten gekommen bist?“
Caroline
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