Verfuehrt zur Liebe
aufwies. Was sie gemeint hatte, das konnte sie jetzt deutlich erkennen, war, dass die Eigenschaften, die er besaß, genau die waren, die sie am ehesten zu einer Ehe bewegen könnten.
Seine weniger anziehenden Wesenszüge kannte sie auch gut. Sein übertriebener Beschützerinstinkt hatte sie immer schon gestört, aber sein diktatorisches Besitzergreifen bereitete ihr am meisten Sorge. Wenn sie erst einmal mit ihm verheiratet wäre, gäbe es kein Entkommen mehr. Das war einfach seine Art.
Sie erschauerte, schlang die Arme um sich - wünschte sich, sie hätte daran gedacht, sich ihren Schal zu nehmen, konnte sich aber nicht dazu aufraffen, aufzustehen und ihn sich jetzt zu holen.
Die einzige Möglichkeit für sie, Simons Antrag anzunehmen, ihm ihre Hand zu reichen und all das zu akzeptieren, was das bedeutete, setzte voraus, dass sie ihm ausreichend vertraute, stets ihre Gefühle zu berücksichtigen und sich mit ihr und ihren Wünschen auseinanderzusetzen, statt einfach zu befehlen.
Keine Kleinigkeit für einen Tyrannen.
Vorige Nacht war sie zu ihm gegangen in dem Wissen, dass sie die Oberhand besaß, hatte ihm vertraut, ihr die Führung zu überlassen. Er hätte ihr jederzeit die Zügel aus der Hand nehmen können - aber er hatte es nicht getan, obwohl diese Zurückhaltung ihm allem Anschein nach schwergefallen war.
Er hatte sich an die Bedingungen gehalten, die sie festgesetzt hatte. Sie hatte die Nacht in Sicherheit verbracht, ihre Lebendigkeit bestätigt, sich ihrer Fähigkeit zu leben und zu lieben versichert. Ihrer Fähigkeit zu vertrauen und den Lohn dieses Vertrauens zu ernten.
Früher hatte er sie nie Bedingungen wie letzte Nacht stellen lassen, gleichgültig, in welcher Situation sie sich befanden. Es lag einfach nicht in seiner Natur ... hatte es nie getan, aber jetzt war es da, wenigstens bei ihr.
Eine Bereitschaft, sich die Führung zu teilen, ihr entgegenzukommen, so wie er es versprochen hatte. Sie spürte das in seiner Berührung, las es in seinen Augen ... die Ereignisse bewiesen, dass es wirklich da gewesen war und nicht einfach nur Einbildung oder Wunschdenken ihrerseits war.
Weshalb sie weiter das Mögliche erforschen konnten.
Hinter dem Fenster färbte sich der Himmel rosa, dann verblasste er zu dem zarten Graublau eines weiteren heißen Sommertages.
Das Klicken der Tür riss sie aus ihren Gedanken. Sie drehte sich in ihrem Stuhl um und blickte zu der kleinen Zofe in der Tür, die sich während ihres Aufenthaltes um sie und das Zimmer kümmerte.
Die Zofe sah sie; ihre Augen wurden groß und rund, ihr Gesicht füllte sich mit Mitgefühl. »Oh, Miss ... haben Sie die ganze Nacht da verbracht?«
»Äh ...« Sie log nur selten, aber ... »Ja.« Sie schaute zum Fenster, fuchtelte mit den Händen. »Ich konnte nicht schlafen ...«
»Nun, das ist kaum ein Wunder, nicht wahr?« Fröhlich und voller Tatendrang brachte das Mädchen ein Tuch zum Vorschein und begann das Kaminsims abzuwischen. »Wir haben gehört, dass Sie den Leichnam gefunden haben - praktisch darüber gestolpert sind.«
Portia nickte.
»Im Dienstbotenzimmer wurde darüber gesprochen. Wir haben Angst, dass es einer der Herren gewesen sein könnte, aber Mrs. Fletcher - sie ist die Haushälterin - hat gesagt, es waren die Zigeuner, ganz bestimmt.«
»Die Zigeuner?«
»Dieser Arturo - er lungert ständig hier herum, spielt sich auf. Ein hübscher Teufel, das ist er, und schnell mit den Frauen, wenn Sie verstehen, was ich meine.«
Portia runzelte im Geiste die Stirn. Ganze zwei Sekunden lang rang sie mit ihrem Gewissen. »Hatte denn jemand von Ihnen Grund für die Sorge, es könnte einer der Gentlemen sein?«
»Nö - das waren nur wir, eine Idee.«
»War Mrs. Glossup bei den Dienstboten beliebt?«
»Mrs. G.?« Das Mädchen nahm eine Zinnvase und begann sie mit konzentrierter Miene zu reiben. »Sie war schon in Ordnung - hatte zwar manchmal Launen, natürlich, und ich denke, manche würden sie flatterhaft nennen, aber das sind wohl viele junge, verheiratete Damen, nicht wahr?«
Portia biss sich auf die Zunge.
Die Zofe stellte die Vase ab, steckte sich ihr Tuch in die Tasche. »Nun - wissen Sie, heute ist der Tag, um die Laken zu wechseln.« Sie durchquerte das Zimmer, trat ans Bett. Portia beobachtete sie, beneidete sie um ihre Energie.
»Blenkinsop sagt, da kommt ein Mann aus London.« Sie fasste die zurückgeschlagene Ecke und schaute Portia an. »Um zu fragen, was passiert ist.«
Portia nickte. »Das ist offensichtlich
Weitere Kostenlose Bücher