Verfuehrt zur Liebe
blickte wieder zu Portia. »Es mag nicht viel sein, aber wir müssen uns mit der Tatsache abfinden, dass die Kreuzotter nicht von alleine unter Ihre Decke gekrochen ist. Jemand erwartet, dass Sie tot sind, oder wenn nicht das, dann doch wenigstens hysterisch genug, um unverzüglich abzureisen.«
»Noch bevor der Herr aus der Bow Street eintrifft?«, erkundigte sich Simon. Seine Lordschaft nickte grimmig.
»So sehe ich die Sache.« Wieder schaute er zu Portia. »Wie geht es Ihnen, meine Liebe?«
Sie dachte nach, räumte ein: »Erschüttert, aber nicht genug, um zu fliehen.«
»So ist es recht. Also« - Seine Lordschaft schlug sich mit den Händen auf die Oberschenkel - »was können wir hieraus lernen? Warum wollte Kittys Mörder oder Mörderin - unter den gegebenen Umständen müssen wir annehmen, dass es sowohl ein Er als auch eine Sie sein kann - Sie loswerden, auf die eine oder andere Weise?«
Portia erwiderte seinen Blick ratlos.
»Weil«, antwortete Simon an ihrer Stelle, »der Mörder glaubt, dass du etwas gesehen hast, das auf ihn als Täter verweist.«
»Oder etwas gehört hast oder sonst weißt.« Lady O. nickte. »Ja, das muss es sein.« Sie durchbohrte Portia mit ihrem Blick. »Also, was weißt du?«
Sie sah alle der Reihe nach an. »Nichts.«
Sie befragten sie - gingen mit ihr alles durch, was sie getan, was sie gesehen hatte, seit sie das Haus am vorigen Mittag wieder betreten hatte. Sie wusste, was sie bezweckten und weshalb sie es taten, daher zügelte sie ihre Verärgerung. Am Ende stellte sie ihre leere Tasse ab und erklärte schlicht: »Ich kann nichts erzählen, was ich nicht weiß.«
Mit einem Brummen, einem Seufzer und einer gerunzelten Stirn akzeptierten sie das schließlich.
»Nun dann!« Lord Netherfield erhob sich. »Als Nächstes müssen wir abwarten, wen uns Bow Street schickt. Wenn Sie mit ihm sprechen, erzählen Sie ihm alles, was Sie wissen - über Kitty und alle anderen hier. Nicht nur von gestern, sondern seit Ihrer Ankunft - nein, mehr als das. Alles, was Sie auch aus anderer Quelle über die Gäste hier wissen.« Er fing Portias Blick auf. »Wir können nicht sagen, welches Stückchen Information, das Sie unwissentlich besitzen, auf den Schurken weist.«
Sie blinzelte, dann nickte sie. »Ja, natürlich.« Sie begann im Geiste die Gäste aufzulisten, die sie schon vorher gekannt hatte.
Lady O. schnaubte abfällig. »Was soll dieses Zeug mit den Leuten von der Bow Street? Warum werden sie hinzugezogen?«
»So wird es heutzutage gemacht. Nicht angenehm, aber im Interesse der Gerechtigkeit scheint es seine Vorteile zu haben. Hab in meinem Club vor Kurzem von einem merkwürdigen Fall gehört. Ein Gentleman, der mit einem Feuerhaken in seiner eigenen Bibliothek zu Tode gekommen war. Alle waren drauf und dran, dem Butler die Schuld zu geben, aber der Kerl, der die Untersuchung durchführte, hat dann bewiesen, dass es der Bruder des Mannes war. Riesiger Skandal, selbstverständlich. Die Familie war am Boden zerstört ...«
Die Worte Seiner Lordschaft verklangen. Alle schwiegen, dachten dasselbe.
Wer auch immer Kitty umgebracht hatte, es war nicht auszuschließen, dass es einer der Gäste war oder einer der Glossups - entweder Henry oder James, die Enkelsöhne Seiner Lordschaft. Wenn der Mörder entlarvt wurde, würde es einen Skandal geben. Vermutlich einen, der wirklichen Schaden anrichtete.
Lord Netherfield seufzte schließlich. »Wissen Sie, ich kann nicht sagen, dass ich Kitty mochte. Ich habe nie gebilligt, wie sie Henry behandelt hat, mit ihm Schindluder getrieben hat. Sie war außerordentlich dumm und unverschämt, aber« - seine Lippen verzogen sich - »trotz allem hat sie das nicht verdient.«
Er schaute in die Runde. »Ich möchte nicht, dass ihr Mörder seiner gerechten Strafe entkommt. Die arme Frau verdient wenigstens das.«
Alle nickten. Gemeinsam würden sie sich bemühen, den Täter zu entlarven - gleichgültig, wer es war.
»Nun denn!« Lord Netherfield klatschte in die Hände, schaute zu Portia, dann zu Lady O. »Dann gehen wir jetzt nach unten zum Frühstück - und sehen wir mal, wer überrascht ist, Miss Ashford zu erblicken.«
Sie erhoben sich, ordneten die Röcke oder zogen die Westen glatt, dann machten sie sich auf den Weg in die Schlacht.
13
Es half ihnen nicht weiter; unter den Gästen herrschte solche Nervosität, dass mancher am Frühstückstisch bei allem und jedem zusammenzuckte, während andere geistesabwesend ins Leere starrten, sodass
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