Verfuehrt zur Liebe
sah wie sie nach unten, fluchte und fasste nach ihr, drückte sie fest an sich.
Fluchte wieder und legte seine Arme um sie, hielt sie noch enger, schwang sie herum, schützte sie vor dem Anblick.
Dem Anblick des jungen Zigeuners und Gärtners Dennis, der auf dem Rücken im Gras lag, erwürgt - wie Kitty.
Tot wie Kitty.
15
»Nein«, beantwortete Stokes die Frage, die Lord Netherfield ihm gestellt hatte. Sie alle - Stokes, Simon, Portia, Charlie, Lady O. und Seine Lordschaft - hatten sich in der Bibliothek eingefunden, um Bilanz zu ziehen. »So früh am Morgen hatte fast niemand ein echtes Alibi. Alle waren alleine auf ihren Zimmern.«
»So früh, was?«
»Offensichtlich hat Dennis oft kurz nach Tagesanbruch zu arbeiten begonnen. Heute hat der Obergärtner ihn getroffen und einen Moment mit ihm gesprochen - der genaue Zeitpunkt lässt sich schwer feststellen, aber es war lange bevor der Haushalt erwacht war und mit der Arbeit begonnen worden war. Eine Sache können wir allerdings sagen.« Stokes stand in der Mitte des Raumes und schaute sie der Reihe nach an. »Wer auch immer Dennis umgebracht hat, er war ein Mann in der Blüte seiner Jahre. Der Bursche hat sich heftig gewehrt - so viel ist klar.«
Auf der Lehne des Stuhles hockend, auf dem Portia saß, schaute Simon ihr ins Gesicht. Sie war immer noch blass vom Schock und viel zu still, obwohl inzwischen seit ihrer schrecklichen Entdeckung ein halber Tag vergangen war. Ihrer zweiten schrecklichen Entdeckung innerhalb weniger Tage. Seine Lippen zu einer schmalen Linie zusammengepresst, blickte er wieder zurück zu Stokes. Er rief sich die Furchen im Gras ins Gedächtnis, den verdrehten Körper und nickte. »Kitty hätte von jedem ermordet worden sein können; bei Dennis ist das anders.«
»Ja. Wir können jeden Gedanken, dass es eine Frau war, getrost vergessen.«
Lady O. blinzelte. »Ich wusste gar nicht, dass wir die Damen überhaupt in Verdacht hatten.«
»Wir hatten alle in Verdacht. Wir können es uns nicht leisten zu raten.«
»Hm. Vermutlich nicht.« Sie richtete ihren Schal. Ihre gewohnte Ausstrahlung unbesiegbarer Sicherheit wankte; der zweite Mord hatte alle erschüttert, nicht nur aufs Neue, sondern auch tiefer. Der Mörder war fraglos immer noch da, weilte unter ihnen. Manche hatten vielleicht begonnen, die Sache aus ihren Gedanken zu verbannen, aber Dennis’ Ermordung hatte ihnen allen brutal bewusst gemacht, dass man den Schrecken nicht so einfach vergraben und vergessen konnte.
Gegen den Kaminsims lehnend erkundigte sich Charlie: »Was hat der Mörder benutzt, um den armen Kerl zu erwürgen?«
»Eine andere Vorhangkordel. Diesmal aus dem Morgensalon.«
Charlie schnitt eine Grimasse. »Es könnte also jeder gewesen sein.«
Stokes nickte. »Wie auch immer, wenn wir davon ausgehen, dass dieselbe Person für beide Morde verantwortlich ist, können wir jetzt die Liste der Verdächtigen bedeutend reduzieren.«
»Auf Männer«, bemerkte Lady O.
Stokes nickte. »Und nur die, die stark genug sind, um sicher sein zu können, Dennis zu überwältigen - ich denke, diese Überzeugung ist entscheidend. Unser Mörder konnte es sich nicht leisten, es zu versuchen, aber eventuell nicht Erfolg zu haben. Und es musste schnell gehen - er muss gewusst haben, dass noch andere Menschen unterwegs waren.«
Nach einer kleinen Pause fuhr er fort: »Ich neige zu der Ansicht, dass der Mörder einer der folgenden Personen ist: Henry Glossup, James Glossup, Desmond Winfield oder Ambrose Calvin.« Er machte wieder eine Pause. Als niemand etwas sagte, sprach er weiter: »Alle hatten gewichtige Motive, Mrs. Glossup umzubringen, alle wären körperlich dazu in der Lage, und alle hatten die Gelegenheit, und keiner hat ein Alibi.«
Simon hörte Portia seufzen; er blickte zu ihr, sah sie erschauern, dann hob sie den Kopf. »Seine Schuhe. Das Gras muss doch so früh am Morgen feucht gewesen sein. Vielleicht wenn wir das überprüfen ...«
Mit grimmiger Miene schüttelte Stokes den Kopf. »Das habe ich schon getan. Wer auch immer unser Mann ist, er ist klug und vorsichtig. Alle Schuhe waren sauber und trocken.« Er schaute Lord Netherfield an. »Ich muss Ihnen danken, Mylord. Blenkinsop und die anderen Bediensteten sind sehr hilfsbereit gewesen.«
Lord Netherfield winkte ab. »Ich will, dass der Mörder gefangen wird. Ich werde nicht zulassen, dass auf meinen Enkelsöhnen - oder der Familie - ein Schatten wegen dieser Sache lastet, was aber der Fall sein wird, wenn wir
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