Verfuehrt zur Liebe
Schluchzer nach, die Spannung wich aus ihrem Körper.
»Ich habe deinen Rock durchweicht.«
»Das macht nichts.«
Sie schniefte. »Hast du ein Taschentuch?«
Er lockerte seine Umarmung, suchte es und reichte es ihr.
Sie betupfte seinen Rock mit dem Leinen, dann ihre Augen und putzte sich schließlich die Nase. Das zerknautschte Tuch steckte sie dann in ihre Tasche und schaute ihm ins Gesicht.
Ihre Wimpern waren noch feucht, ihre dunkelblauen Augen glitzerten. Der Ausdruck in ihnen ...
Er senkte den Kopf und küsste sie, sanft zuerst, zog sie aber immer fester an sich, vertiefte dabei den Kuss, bis sie sich ihm ganz überließ.
Bis sie aufhörte nachzudenken.
Darüber, dass in seinen Armen zu weinen viel mehr und auf gewisse Weise intimer war, als nackt beisammenzuliegen. Gefühlsmäßig war es gewiss so für sie, aber er wollte nicht, dass sie darüber zu grübeln begann.
Oder darüber, was er dabei empfand, wie er sich insgeheim freute, dass sie ihn so nahe an sich heranließ, zuließ, dass er sie so verwundbar sah. So, wie sie in Wahrheit war, hinter den Schutzschilden, die sie der Welt zeigte - eine Frau mit einem weichen Herzen.
Eines, das sie gewöhnlich gut hütete.
Ein Herz, das er geschenkt bekommen wollte.
Mehr als alles auf der Welt.
Es wurde Abend, und mit ihm legte sich eine unbehagliche, wachsame Spannung über alle. Wie er es vorausgesehen hatte, hatte Stokes nichts Neues entdeckt; eine ungute Vorahnung hing über dem gesamten Haus.
Es gab weder Scherze noch amüsante Bemerkungen, um die Stimmung zu heben. Niemand schlug vor, Musik zu machen. Die Damen unterhielten sich mit gesenkten Stimmen, sprachen über Nichtigkeiten - Sachen, die weit weg waren, Sachen, die bedeutungslos waren.
Als er sich zusammen mit Lord Netherfield und Lord Glossup zu den Damen gesellte, suchte Simon gleich Portias Nähe und begleitete sie auf die Terrasse. Weg von der drückenden Stimmung im Salon nach draußen, wo sie freier atmen und sprechen konnten.
Nicht, dass es hier wirklich besser war, die Luft war schwül und schwer, regte sich erst, als ein weiterer Sturm aufzog.
Sie ließ seinen Arm los und ging zur Balustrade, stützte sich mit beiden Händen darauf und schaute auf den Rasen. »Warum sollte jemand Dennis töten?«
Er war etwa in der Mitte der Terrasse stehen geblieben, trat nicht näher zu ihr, gewährte ihr Raum. »Wahrscheinlich aus demselben Grund, aus dem er es bei dir versucht hat. Nur hatte Dennis leider weniger Glück.«
»Aber wenn Dennis etwas gewusst hätte, warum hat er es nicht gesagt? Stokes hat ihn doch befragt, oder?«
»Ja. Und vielleicht hat er auch etwas erzählt, nur der falschen Person.«
Sie drehte sich mit gerunzelter Stirn um. »Was meinst du?«
Er verzog das Gesicht. »Als Stokes mit den Zigeunern geredet hat, da hat doch eine der Frauen gesagt, Dennis schiene über etwas gegrübelt zu haben. Er wollte nicht sagen, was es war - die Frau meinte, es sei etwas gewesen, was er auf seinem Weg vom Haus bemerkt hatte, nach Kittys Tod.«
Sie drehte sich wieder zum Rasen um. »Ich habe mir den Kopf zerbrochen, wieder und wieder, aber ich kann mich einfach nicht erinnern ...«
Er wartete. Als sie weiter nichts sagte, ging er rückwärts, schob die Hände in seine Taschen und lehnte sich mit den Schultern gegen die Wand hinter sich. Er beobachtete, wie die Nacht allmählich die Bäume und den Rasen verschluckte und das letzte Licht verblasste.
Beobachtete sie, unterdrückte das Verlangen, sie in die Ecke zu drängen, sie für sich zu fordern, sie in einen Turm zu sperren und so vor der Welt und jeglichem Schaden zu bewahren. Das Gefühl war vertraut, aber wesentlich stärker als zuvor. Ehe er erkannt hatte, was in Wahrheit los war.
Wind kam auf, brachte den Geruch von Regen mit sich. Sie schien zufrieden, so wie sie war, wie er auch, einfach dazustehen und sich von dem Frieden der Nacht einhüllen zu lassen.
Er war ihr heute Morgen gefolgt, hatte' gehorsam den Abstand von zwanzig Schritt zu ihr gewahrt und überlegt, worüber sie wohl nachdenken wollte. Er hatte selbst nachgedacht -hatte sich die Fähigkeit gewünscht, sie immer davon abzuhalten, über sie beide nachzusinnen.
Wenn sie das tat... machte ihm das Sorgen, störte es ihn. Die Vorstellung, dass sie zu viel über ihre Beziehung nachgrübelte und schließlich zu der Überzeugung käme, sie sei zu gefährlich, zu bedrohlich, um sie weiterzuverfolgen, jagte ihm Angst ein.
Eine verräterische Angst, eine
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