Verfuehrung auf Capri
Becken sprudelte. Durch die Beleuchtung von unten war alles in schillerndes Licht getaucht.
Obwohl es spät war, standen viele Menschen um den Brunnen und auf den Stufen. Der Platz war tatsächlich klein, doch Laura hatte ohnehin nur Augen für den prächtigen Brunnen. Mit vor Staunen leicht geöffneten Lippen betrachtete sie ihn.
„Wunderschön“, sagte sie und drehte sich zu Alessandro um. „Ich weiß über den Brunnen nur, dass er berühmt ist und dass man eine Münze hineinwerfen soll.“
„Ja, und zwar, indem man ihm den Rücken zukehrt und die Münze über die eigene Schulter wirft.“ Alessandro nahm etwas Kleingeld aus seiner Hosentasche. „Wir müssen aber etwas näher herangehen.“ Er reichte ihr ein Geldstück.
Laura drehte sich so, dass sie mit dem Rücken zum Brunnen stand. Dann warf sie die Münze. „Habe ich getroffen?“
„Ja. Deine Münze liegt dort drüben.“ Alessandro wies auf eine Anhäufung von Geldstücken im Wasser. „Ich weiß gar nicht mehr, wann ich das letzte Mal hier war“, stellte er dann nachdenklich fest.
„Du findest das bestimmt furchtbar kitschig“, sagte Laura, die sich plötzlich unsicher und befangen fühlte.
Ihr Gesicht wirkte so verschlossen, dass die altbekannte Laura Stowe wieder deutlich zu erkennen war. Alessandro zuckte leicht die Schultern. „Es ist eine alte Tradition“, erwiderte er gelassen. „Dazu gehört übrigens auch, dass man danach ein Eis isst.“
Er wies mit dem Kinn auf eine hell erleuchtete gelateria, in der noch reger Betrieb herrschte. Alessandro übersetzte die Bezeichnungen der vielen verschiedenen Eissorten.
Er entschied sich für Mokka, Laura für Meloneneis. Als sie eine stille Straße entlanggingen, dachte sie überwältigt: Alessandro di Vincenzo und ich essen zusammen ein Eis – und dabei haben wir uns doch kaum jemals nett unterhalten. Es kam ihr sehr seltsam und fast unwirklich vor, wie schon der ganze verzauberte Abend. Und der Zauber hielt noch immer an.
„Wo wir schon einmal dabei sind – möchtest du dir auch die Spanische Treppe ansehen?“ Alessandros unerwarteter Vorschlag riss Laura aus ihren Gedanken.
„Du musst doch morgen früh aufstehen“, erinnerte sie ihn zögernd.
Wieder zuckte er die Schultern. „Das habe ich nur gesagt, weil ich aus der Disco raus wollte. Und du hast erwähnt, dass du Rom bei Nacht kennenlernen möchtest, also, warum nicht?“
Eigentlich war das Lucs Wunsch gewesen, aber Laura korrigierte Alessandro nicht, denn sie wollte die Spanische Treppe tatsächlich gern sehen. Und sie wünschte sich, dieser wunderbare Abend würde ewig weitergehen, auch wenn sie ihn mit Alessandro verbringen musste.
Allerdings war er viel umgänglicher als sonst, ganz anders, als sie ihn bisher kennengelernt hatte. Er war … einfach nett zu ihr. Das erstaunte Laura so sehr, dass sie lieber nicht weiter darüber nachdenken wollte, sondern beschloss, es einfach zu akzeptieren.
Sobald sie das Eis aufgegessen hatte, winkte Alessandro ein Taxi herbei und half ihr beim Einsteigen. Als er neben ihr Platz genommen hatte, kam Laura das Innere des Wagens plötzlich sehr eng vor. Instinktiv rutschte sie ganz auf ihre Seite, sodass ein möglichst großer Abstand zwischen ihnen entstand.
Am Ziel angekommen, stellte sie fest, dass an der hell erleuchteten Spanischen Treppe ebenso viel los war wie am Trevi-Brunnen. Laura ließ den Blick von dem bizarr geformten Bassin auf dem Platz am Fuße der Treppe hinüber zu der Kirche mit den zwei Türmen und dem Obelisken gleiten, während Alessandro das Taxi bezahlte.
„Ich weiß leider nur, dass Keats in einem Haus hier in der Nähe gestorben ist“, sagte Laura.
„Ja, in dem da drüben.“ Alessandro wies auf ein kleines, vornehmes Gebäude rechts von der Treppe. „Darin befindet sich ein Museum.“
„Warum heißt die Treppe eigentlich ‚Spanische Treppe‘?“, wollte Laura wissen, während sie ihr langes Kleid zusammenraffte und hinüberging. „Und warum sieht der Brunnen so merkwürdig aus?“
Alessandro dachte einen Moment nach. „Auf der einen Seite des Platzes befand sich die spanische Botschaft beim Vatikan. Und der Brunnen hat die Form eines Schiffs, weil hier ein Schiff gestrandet sein soll, als der Tiber im sechzehnten Jahrhundert über die Ufer trat.“
„Wie viele Stufen hat die Treppe denn?“, fragte Laura, während sie hinaufstiegen.
Als Alessandro lachte, sah sie ihn überrascht an, denn sie hatte ihn noch nie lachen sehen. Das Äußerste war
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