Verfuehrung auf Capri
bisher ein höfliches Lächeln gewesen, das er der Gastgeberin beim Empfang im Hotel Montefiori geschenkt hatte. Doch nun lachte er und sah dabei unglaublich attraktiv aus, wie Laura mit einem merkwürdig flatternden Gefühl im Magen feststellte.
Schnell wandte sie den Blick wieder ab und richtete ihn auf die Stufen. So etwas darf ich nicht denken, ermahnte sie sich.
„Ich habe keine Ahnung, wie viele Stufen es sind“, gestand Alessandro. „Aber bestimmt eine ganze Menge mehr beim Hinaufsteigen als beim Hinabsteigen.“
Jetzt musste Laura lachen. „Und was ist das für eine Kirche dort?“ „Sie heißt Trinità die Monti. Ansonsten weiß ich auch nicht mehr als du.“
Sie erreichten die Plattform auf halber Höhe. Laura wandte sich um und blickte auf die Stadt, die sich am Fuße der Treppe ausbreitete.
Von diesem Anblick vollkommen überwältigt, erschauerte sie.
„Ist dir kalt?“, fragte Alessandro besorgt.
Laura war wie erstarrt, als er ihr den Arm um die Schultern legte. Sofort nahm er ihn wieder weg.
„Wenn du fertig bist, sollten wir lieber zurückgehen“, sagte er kurz angebunden.
Schweigend stiegen sie die Treppe wieder hinunter, wo Alessandro ein Taxi herbeiwinkte. Als sie im Wagen saß, versuchte Laura nicht mehr, sich mit ihm zu unterhalten. Der kurze Moment, in dem sie sich in seiner Gegenwart wohlgefühlt hatte, war vorbei. Jetzt war sie wieder angespannt und befangen.
Nach dem unglaublichsten Abend ihres ganzen Lebens war das auch nicht weiter verwunderlich. Lauras Blick fiel auf ihre Hände, die sie fest um ihre kleine Abendhandtasche geschlossen hatte, die langen, lackierten Nägel auf dem feinen Satin. Diese Hände waren ihr völlig fremd. Ihren wahren Händen sah man die harte Arbeit an, sie waren zerkratzt und schwielig, nicht seidenweich und sorgfältig manikürt.
Plötzlich bekam sie Angst. Völlig unerwartet hatte sie sich in Cinderella verwandelt und war zum Ball gegangen. Was an diesem Abend geschehen war, hatte mit der Wirklichkeit nichts zu tun. Und jetzt war es vorbei. Finito.
Traurig blickte Laura aus dem Fenster des Taxis nach draußen, wo die Straßen von Rom vorbeiglitten.
Das Taxi hielt vor dem Hotel, das sie nur wenige Stunden zuvor mit vor fröhlicher Erregung klopfendem Herzen verlassen hatte. Jetzt fühlte sie sich leer und ausgelaugt. Sie stieg aus und ging ins Foyer. Alessandro folgte ihr – vermutlich wollte er sich pflichtbewusst vergewissern, dass sie an der Rezeption ihren Zimmerschlüssel ausgehändigt bekam. Dann würde er gehen, zurück in sein eigenes Leben.
Ob vielleicht eine Frau auf ihn wartete? Bestimmt konnte Alessandro di Vincenzo jede Frau bekommen, die ihm gefiel.
Plötzlich kam Laura ein Gedanke. Ich habe ihm auch gefallen, dachte sie. Alessandro hatte sie nicht erkannt und sie einfach deshalb wie gebannt angesehen, weil er sie schön gefunden hatte.
Ihr Magen zog sich zusammen. Den ganzen Abend hatte sie versucht, die Erinnerung an diesen Moment zu verdrängen, und sich stattdessen darauf konzentriert, dass andere Männer sie ansahen – und sie ihnen offenbar gefiel.
Auch Luc Dinardi hatte sein Interesse auf unverhohlene, fast aufdringliche Art deutlich gemacht. Laura hatte es zugelassen, fasziniert und überwältigt, dass ein solcher Frauenheld mit ihr flirtete.
„Ihr Schlüssel, Signorina .“ Die Stimme des Rezeptionisten riss Laura aus den Gedanken.
Verwirrt betrachtete sie den Schlüssel, der wie eine Kreditkarte aussah.
„Man zieht ihn durch einen Schlitz neben der Zimmertür, dann öffnet sie sich“, erklärte Alessandro und nahm ihr den Schlüssel aus der Hand. „Ich werde es dir zeigen.“
Rasch ging er ihr voran zum Aufzug. Laura folgte ihm und bemerkte, dass seine Schultern ein wenig angespannt wirkten. Außerdem fiel ihr plötzlich ein, dass sie noch immer sein Jackett trug. Als sie den Lift betraten, reichte sie es ihm. Alessandro hängte es sich über den Arm und trommelte mit verschlossener Miene gegen die Metallwand des Lifts.
Laura betrachtete ihn verstohlen. Der Mann, der mit ihr die Spanische Treppe hinauf- und wieder hinuntergestiegen war und der ihr am Trevi-Brunnen eine Münze gegeben hatte, war verschwunden. Er hatte sich wieder in den Alessandro di Vincenzo verwandelt, den sie kannte und der ihr nicht sonderlich sympathisch war. Er wirkte gereizt und schlecht gelaunt, als wäre er am liebsten woanders.
Laura verspürte einen feinen Stich im Herzen, doch dann gab sie sich innerlich einen Ruck.
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