Verfuehrung Auf Hoher See
… Rion hatte das Gefühl, sie beschützen zu müssen. Gleichzeitig wünschte er sich mehr …
Nein! Er musste standhaft bleiben.
Die anschließende Verabredung mit Chloe erwies sich als Katastrophe. Sie würde nie mehr mit ihm reden. Sie hatten einen Nachtclub besucht, danach hatte er sie nach Hause gebracht. Als sie ihn auf einen Kaffee hereinbitten wollte, hatte er sie auf die Wange geküsst und war gegangen.
1. KAPITEL
Die glühende Julihitze war erträglicher geworden, als die Luxusjacht gegen Mitternacht in den Hafen der griechischen Insel Letos einlief.
In einem schwarzen Poloshirt und Chinos ging Orion Moralis, der erfolgsgewohnte Chef der internationalen Moralis Corporation, von der Brücke zum Hauptdeck hinunter. An der Reling blieb er stehen und betrachtete die Gebäude im Hafen. Der Kirchturm beherrschte das Bild des einzigen Ortes der Insel, auf der Mark Stakis lebte. Gelebt hatte, berichtigte Rion sich schulterzuckend. Für ihn war der Mann seit Jahren gestorben.
Seine Jacht mit der siebenköpfigen Mannschaft war mit den modernsten technischen Errungenschaften ausgestattet und hatte sich auf dem Weg nach Ägypten befunden, wo Rion endlich drei Wochen Tauchurlaub machen wollte. Um das Angenehme mit dem Nützlichen zu verbinden, hatte er wichtige Arbeitsunterlagen auf die Kreuzfahrt mitgenommen. Vom Ableben des alten Stakis hatte er gehört, jedoch nicht vorgehabt, an der Beerdigung teilzunehmen. Aber dann hatte er gestern Vormittag eine interessante E-Mail von Stakis’ Anwalt und Notar Kadiekis erhalten, die Rions Anwesenheit auf der Insel erforderlich machte. Daraufhin hatte er mitten auf dem Meer den Kurs geändert.
Mit raschen Schritten überquerte er das Deck und sah zu, wie ein Matrose die Jacht vertäute. Höchste Zeit, an Land zu gehen. Er konnte es nicht erwarten, sich die Beine zu vertreten, um die Rastlosigkeit abzuschütteln, die ihn seit Monaten quälte. Auch deswegen hatte er beschlossen, endlich einmal Urlaub zu machen. Doch dann war die Nachricht des Anwalts gekommen …
Komisch, dass Mark Stakis sein Testament in all den Jahren nicht geändert hatte. Erinnerungen stiegen in ihm auf, die Rion seit Langem verdrängt hatte.
Vor sechs Jahren hatte er Stakis’ Enkelin Selina Taylor geheiratet. Der größte Fehler seines Lebens! Es hatte ihn maßlos getroffen, dass seine junge Frau ihn betrogen hatte. Beim Gedanken daran packte ihn jetzt noch die Wut. Brüsk wandte er sich ab und ging über die Gangway an Land.
Tief atmete er die laue Nachtluft ein, dann schlenderte er am hell erleuchteten Hafen entlang zum Strand, wo es angenehm still war. Der Zorn auf seine Exfrau ebbte ab, und Rion begann, sich zu entspannen. Von sanftem Wellenrauschen begleitet, wanderte er unter Bäumen an der Landspitze entlang, bis ihm bewusst wurde, dass er an Stakis’ Privatstrand angekommen war.
Rion blieb stehen und betrachtete die weitläufige Villa auf der Anhöhe. Ein einsamer Lichtschein fiel aus dem Gebäude und erhellte schwach die kunstvoll gestuften Terrassen, die sich bis zum Ufer hinunterzogen. Eine Umfriedungsmauer mit einem breiten Tor gestattete Zugang zum Strand, und Rion fragte sich, ob irgendwo Sicherheitsleute postiert sein mochten.
Unvermittelt wurde das Tor geöffnet.
Rion kniff die Augen zusammen, als eine geisterhaft anmutende, weiß gekleidete Gestalt gut zehn Meter vor ihm erschien. Dann sah er, dass er eine Frau vor sich hatte … kein Gespenst und auch keinen Wachmann.
Blitzschnell zog er sich in den Schatten der Bäume zurück, als das Mondlicht auf die Frau fiel, die über den Sand rannte, sodass das weiße Gewand sie umwallte.
Selina. Das konnte nur sie sein …
Reglos, aufs Höchste angespannt, blieb Rion stehen. Er hatte gewusst, dass sie hier sein würde, dennoch schockierte es ihn, sie zu sehen. Die Frau hatte Nerven! Es war allgemein bekannt, dass ihr Großvater jeden Kontakt zu ihr abgebrochen hatte, seit sie nach der Scheidung nach England zurückgekehrt war. Aber das überraschte Rion nicht. Der Duft des Geldes war unwiderstehlich.
Aus zusammengekniffenen Augen beobachtete er seine Exfrau. Offenbar glaubte sie, allein zu sein, denn sie streifte ihren Bademantel ab und ließ ihn in den Sand fallen. Einen Moment lang blickte sie aufs Meer hinaus, ihre schlanke Gestalt in dem knappen Bikini hob sich seltsam unwirklich gegen den Nachthimmel ab.
Ja, es war Selina – doch sie sah anders aus, als er sie in Erinnerung hatte. Das früher kurze rotblonde Haar trug sie
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