Verfuehrung auf Probe
lachhaft. Komm schon, Eric. Bis dein Oscar das Beiboot runtergelassen hat, sind wir längst an Land. Beeil dich, bevor das Schiff unter der Brücke durchfährt und unsere Chance vertan ist.“
„Wie willst du mit deiner Höhenangst denn da rauf?“ Erics Stimme trieft nur so vor Spott.
„Ich dachte, ich überwinde mich selbst. So wie du, als wir da unten in diesem Horror-Club waren. Und mit dir als Stütze … Das haben wir doch schon einmal geschafft. Denk an die grauenhaft wackelnde Leiter in meiner künftigen Wohnung. Bitte, Eric …“
Eric verdreht die Augen. Trotzdem sieht er sich um, als wolle er nachsehen, ob uns jemand beobachtet. Dann packt er meine Hand und schleift mich mit sich.
Wir rennen über das Deck zu dem Kapitänshaus am Ende des Bootes. Der Kapitän winkt uns zu. Er glaubt, dass sich eines dieser verrückten Paare von der Party gestohlen hat, um es an Deck zu treiben. Oder um sich die wund gevögel ten Geschlechtsteile zu kühlen. Weit gefehlt. Auf Zehenspitzen gehen wir die Treppe zum Führerhaus hoch, ducken uns und krabbeln zu der fest mit der Wand verschweißten Leiter.
Als ich davor stehe, wird mir bereits vom bloßen Anblick schwindlig. Doch dann setze ich meinen ersten Fuß auf die unterste Sprosse, meinen zweiten ziehe ich nach und erklimme sogar noch die dritte und die vierte Sprosse. Dann geht nichts mehr. Doch da ist Eric bereits direkt hinter mir.
„Du bist total verrückt und ich lasse mich auch noch von dir anstecken“, murmelt er, umschlingt dennoch meine Taille und gemeinsam erklimmen wir das Dach des Kapitänshauses.
„Bitte lass mich nicht los“, wimmere ich. Der Wind pfeift über uns hinweg. Inzwischen erscheint mir meine Idee gar nicht mehr so glorreich. Langsam nähern wir uns der Brücke.
„Du zuerst“, gibt Eric den Startschuss, als es nur noch wenige Zentimeter bis zur Brücke sind. Wenn Eric stehen bliebe, würde er mit dem Schädel direkt gegen die Brücke knallen. Ich muss also nur ein wenig Schwung holen. Da packt Eric mich um die Hüften und hebt mich hoch.
„Halt dich am Geländer fest und schwing ein Bein rauf“, schnauzt er mich an.
Ich bin so perplex über die Art und Weise, wie er mit mir spricht, dass ich tue, was er befiehlt.
Als ich wie ein nasser Sack an der Brücke hänge, die Hände an die Geländerstangen geklammert, mein rechter Fuß auf dem Boden der Brücke, mein linker fast zwei Meter über dem Schiff baumelnd, ist Eric bereits auf der Brücke. Er beugt sich über das Geländer und umfasst von oben meine Handgelenke.
„ Sieh mich an, Chérise“, ruft Eric.
Als ob das irgendwas besser machen würde. Sehe ich nach unten, bekomme ich einen Herzinfarkt, weil ich eingehe vor Höhenangst. Wenn ich nach oben sehe, komme ich um, weil ich direkt in diese schwarzen Augen blicke. Dazwischen blinken all die Lichter von Paris und der vielen Autos, die in dieser Stadt Tag und Nacht über die Boulevards brausen.
Scheinbar mit Leichtigkeit zieht Eric mich hoch. Kurz habe ich das Gefühl zu schweben, doch dann setzt auch mein linker Fuß auf dem Rand der Brücke auf. Fester Boden unter den Füßen ist allerdings was anderes. Oh. Mann. Ich könnte heulen. Was mache ich hier bloß?
Erics Arme, die unter meinen Armen durchfassen, mich umklammern und auf das sichere Ende des Geländers hieven, sind der Himmel. Nie zuvor habe ich mich sicherer gefühlt. Bevor ich noch darüber nachdenken kann, was ich gerade getan habe, hat Eric schon wieder meine Hand gepackt und zieht mich über die Straße, auf die andere Seite der Brücke.
„Da fährt unser Boot“, lacht er. „Es ist überstanden, Chérise.“
Ich keuche, als hätte ich gerade einen 10-Kilometer-Lauf hinter mich gebracht. Mann, bin ich froh, dass ich von dem Boot runter bin, raus aus dieser bizarren Umgebung. Aber noch erleichterter bin ich, dass ich nicht in die Seine geplumpst bin. Und auch ein bisschen stolz, dass ich einen bescheuerten Traum in die Wirklichkeit umgesetzt habe.
„ Wir unternehmen noch etwas Schönes“, bestimmt Eric und stoppt ein heranfahrendes Taxi.
„So wie du aussiehst?“ Ich zeige auf sein Hemd, das ihm aus der Hose hängt und bis auf die oberen drei Knöpfe offen steht.
Eric zuckt mit den Schultern und lässt mich zuerst ins Taxi steigen.
„Zum Grand Rex , bitte“, weist er den Fahrer an.
„Das große Kino. Sehr wohl, Monsieur.“ Der Taxifahrer gibt Gas, während er gleichzeitig leise Musik im Radio einstellt.
„Du willst mit mir ins Kino? Um diese
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