Verfuehrung auf Probe
habe keine Ahnung, wie ich das so schnell ändern soll. Dafür wird Zeit notwendig sein, möglicherweise viel Zeit, aber ich habe nur noch fünf Abende.
„Eric, tu mir einen Gefallen und binde mich von dir los“, bitte ich ihn, „mein Handgelenk stirbt ab und ich friere als wäre ich zu Hause in meinem Appartement.“
Er sieht mich an, als hätte ich nicht alle Tassen im Schrank. Woher soll er auch wissen, dass in meiner Wohnu ng die Heizung ausgefallen ist?
„Bitte“, versuche ich, ihn anzutreiben.
„Sicher“, endlich knotet er die leuchtende Schnur auf, „sicher.“
Er sieht, wie sehr ich friere und gibt mir zum zweiten Mal an diesem Abend seinen Cut.
„Danke“, hauche ich. Zwar ist die Jacke viel zu dünn für das Wetter, aber immer noch besser als halbnackt bei höchstens acht Grad auf einem Seine-Dampfer zu stehen und den Wind pfeifen zu hören. Wenigstens ist es trocken, was im Spätherbst auch nicht unbedingt zu erwarten ist.
Eric steht wieder mit vornüber gebeugtem Oberkörper an der Reling. Wenn ich es nicht besser wüsste, würde ich annehmen, ihm sei schlecht und er müsse sich gleich übergeben. Aber er leidet einfach unter den Nachwirkungen dessen, was er im unteren Teil dieses Bootes mitansehen musste.
„Warum tust du dir das an , Eric?“, frage ich zaghaft, beide Arme um mich selbst geschlungen. Gerade wird mir bewusst, dass ich barfuß in Riemchensandaletten unterwegs bin.
Langsam wendet er mir den Kopf zu. „Verrate du es mir.“
Ich schüttele den Kopf. „Ich bin keine Psychologin.“
„Aber du kennst dich mit diesen Dingen aus.“
Ich schlucke. Die Straßenlaternen, die von der Uferpromenade und der darüber liegenden Straße ihr Licht zu uns hinüber werfen, ziehen vor meinen Augen vorüber und werden zu Streifen. Verdammt. Schon wieder treten mir Tränen in die Augen. Wenigstens haben Eric und ich jetzt was gemeinsam, denke ich bitter.
„Hat es dich so kaputt gemacht?“, fragt Eric. Er schluckt ebenfalls.
Zuerst will ich fragen: Was? Was hat mich kaputt gemacht? Doch ich verkneife es mir. Ich weiß schließlich, was er meint, und ich sollte lieber den Faden aufgreifen, als mich irgendwie um dieses Gespräch herumzuwinden. Darum sage ich nur schlicht: „Ja.“
„Es tut mir so leid.“ Erics Stimme klingt rau.
„Ich habe Ben geliebt. Ich glaubte, seine Art, den Sex zu erleben, sei die einzig wahre. Und anfangs ging es auch bei mir besser. Vor ihm habe ich gar nichts gefühlt. Dann kam Ben, er fasste mich härter an, als ich es gewohnt war. Das war aufregend. Er kam mir so stark, so erwachsen, so wissend vor. Meinen ersten Orgasmus hatte ich mit ihm, nachdem …“ Ich gerate ins Stocken. Warum erzählte ich dies alles einem Fremden, der mich dafür bezahlt, dass ich ihn in eben diese Welt einweihe?
„Tut mir leid, Eric“, entschuldige ich mich, „lass uns lieber überlegen, wie du heute noch etwas lernst, damit das da unten“, ich nicke mit dem Kopf zum Boden, „seinen Schrecken verliert.“
„Wir sollten das Schiff verlassen und noch etwas Schönes unternehmen“, Eric stößt sich entschlossen von der Reling ab. „Was hältst du davon, Chérise?“
„Wie soll das gehen?“, ich zeige auf das uns umgebende Wasser. Wir befinden uns irgendwo auf der Sein e, noch im Stadtgebiet, aber die Ile Saint-Louis liegt kilometerweit hinter uns.
Über Erics Gesicht huscht ein Lächeln. „Ich bitte Oscar, uns ein Boot zu überlassen. Dies ist ein Schiff, es gibt Rettungsboote.“
Eric setzt sich bereits in Bewegung, um Oscar zu suchen, als mir ein Gedanke in den Sinn kommt. Er ist verrückt, ich weiß, aber nichts schweißt zwei Menschen mehr zusammen wie ein gemeinsam überstandenes Abenteuer. Natürlich muss es eines sein, dass gut ausgeht.
Ich halte Eric am Ärmel seines wegen meiner Knopfabbeißerei im Wind flatternden Hemdes auf. In wenigen Minuten fahren wir unter der Pont de la Bourdonnais durch, einer der kleineren Brücken. Ich strecke meinen Arm in die Luft, um Eric auf die Brücke hinzuweisen.
„Das ist nicht dein Ernst.“ Er will weitergehen, doch ich stelle mich ihm in den Weg.
„Wir klettern auf das Führerhaus. Zwischen Brücke und Führerhaus ist es höchstens ein Meter“, ereifere ich mich, „wenn ich das schaffe, dann …“
„Ich bezweifele nicht, dass ich das hinbekomme, aber diese Klettereien sind verboten.“
Ich muss lachen. „Du schleifst mich in einen schwimmenden SM-Club und schwatzt was von Verboten. Das ist absolut
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