Verführung der Finsternis: Roman (German Edition)
sie als kleines Mädchen überallhin nachgelaufen war, um an ihren Spielen teilzunehmen, und an die zurückhaltende Zuneigung ihrer Eltern. Alles Erinnerungen, die Sabrina weggeschlossen hatte, als sie ihr Heim, wie sie damals angenommen hatte, endgültig verlassen hatte. Sie entströmten ihr in einem reinigenden Fluss, dem Daigh sehr gern zu lauschen schien. Ein verständnisvolles Ohr und eine starke Schulter zum Anlehnen waren Dinge, die Sabrina seit unzähligen Jahren nicht mehr gehabt hatte.
Sie versuchte, ihm das Gleiche zuteilwerden zu lassen, aber er wich ihren Fragen aus oder beantwortete sie mit Gegenfragen, bis sie aufgab. Er würde nicht von seinen Jahren als Máelodors Sklave sprechen. Und die schwachen und verschwommenen Erinnerungen an sein früheres Leben hütete er wie Gold. Er war nicht bereit, sie mit ihr zu teilen, weil er alle brauchte, um den Dämon in sich zu füttern.
»Teilt Lady Kilronan die Ansicht deines Bruders? Wird er dir einen Ehemann suchen, dem es nichts ausmacht, dass du nicht mehr unberührt bist? Die Tochter eines Earls könnte viele dazu veranlassen, fünf gerade sein zu lassen.«
Sabrina bedachte ihn mit einem bösen Blick, obwohl er auf den Boden schaute und den Ärger in ihren Augen gar nicht sah. »Ich glaube nicht. Seine Frau würde wahrscheinlich eingreifen, wenn er es versuchte.« Sie wusste, dass das die Wahrheit war. Cat würde auf ihrer Seite sein, und egal, wie Aidan darüber dachte, die neue Lady Kilronan war eine mächtige Verbündete. »Sie werden vielleicht verstimmt sein und an mir verzweifeln, doch ich glaube, dass ich ziemlich sicher bin vor alten Wüstlingen und jungen Mitgiftjägern.«
»Dir liegt etwas an deiner Familie.« Er blickte zu ihr herüber. Sein Gesicht lag im Schatten, aber seine Augen glänzten wie Obsidian. »Ich merke es an deiner Stimme und der Art, wie du über sie sprichst.«
»Ich weiß nicht, warum mir etwas an ihnen allen liegen sollte. Sie haben sich nie um mich gekümmert.«
»Wie kannst du so etwas sagen? Lord Kilronan erschien mir wie ein besorgter Bruder, als ich ihm das letzte Mal begegnete.«
»Besorgt ist nicht gleich liebevoll«, entgegnete sie und warf den Grashalm weg.
»War das der Grund für deinen Entschluss, dich hier zu verstecken?«
Sie wurde nicht ärgerlich und verteidigte sich auch nicht, sondern kuschelte sich nur noch tiefer in den Umhang. »Ich verstecke mich nicht mehr.«
Daighs Mund verzog sich zu einem grimmigen Lächeln. »Das solltest du auch nicht. Du bist eine tapfere Frau, Sabrina. Wärst du es nicht, hättest du schon beim ersten Mal, als du mich sahst, die Flucht ergriffen.«
»Das habe ich getan.«
Er lachte schroff. »Dann hättest du weiterlaufen sollen.«
»Ich konnte es nicht. Was ich sah – was ich empfand –, brachte mich dazu zu bleiben.«
»Du kannst noch immer gehen. Das wäre vielleicht besser. Die bandraoi werden sich schon fragen, wo du bist.«
»Ard-siúr verweigert mir die Aufnahme in den Orden. Sie haben nicht länger über mich und mein Handeln zu bestimmen.«
Sabrina lehnte sich zurück und starrte zu den Ritzen in den Schindeln auf. Schweigen breitete sich zwischen ihnen aus. Wenn es doch nur immer so bleiben könnte! Aber die Zeit schritt mit Riesenschritten voran und trug sie auf gefährliche Klippen zu. Sabrina merkte es an Daighs langsamem Abstandnehmen von ihr und sah es an der steilen Falte zwischen seinen Brauen und der Härte, die sein Blick annahm. Schon entglitt ihnen das Vergnügen dieser letzten Stunden, doch Sabrina wollte festhalten, so viel sie konnte, bevor sie für immer Vergangenheit sein würden.
Als spürte er ihre Stimmung, sagte Daigh: »Es bleibt nicht mehr viel Zeit. Máelodors Macht über mich wächst schon wieder so sehr, dass ihr schwer zu widerstehen ist. Er bringt mich wieder unter seine Kontrolle.«
Sabrina sprang das Herz fast in die Kehle. »Aber Ard-siúr … oder vielleicht die Feen selbst. Sagtest du nicht, sie könnten dich vielleicht befreien?« Noch nicht! Bitte noch nicht!
»Nein. Dies geht über die Fähigkeiten deiner Ard-siúr hinaus, und ich habe versucht, die Feen anzurufen, doch ich bin aus keiner Welt, die sie verstehen, und deswegen beachten sie meine Rufe nicht. Dies ist mein Kampf, Sabrina.«
»Sagtest du nicht, glückliche Erinnerungen könnten Máelodors Herrschaft über deinen Verstand brechen?«
»Ja, im Moment noch.«
»Dann lass uns eine Mauer aus Erinnerungen bauen, um ihn auszuschließen.«
Daigh zog eine
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