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Verführung der Finsternis: Roman (German Edition)

Verführung der Finsternis: Roman (German Edition)

Titel: Verführung der Finsternis: Roman (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Alix Rickloff
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ihr Haar fuhr, es dann wieder aufsteckte und unter dem weißen Tuch verbarg.
    »Ich habe Träume, in denen ich ertrinke«, sagte er. »Das Wasser schlägt über meinem Kopf zusammen, und ich bekomme keine Luft mehr.« Es auszusprechen ließ schon wieder eisige Panik in ihm aufsteigen.
    »Träume sind manchmal hilfreich. Haben Sie noch andere?«
    Er zögerte, strich sich über die Stirn und richtete den Blick nach innen, auf die schonungslosen Bilder, die in ihm hochkamen. »Ich sehe Zerstörung und Leid. Den Hass eines Mannes und die Tränen einer Frau.«
    »Nun ja … manchmal sind Träume auch nur Träume«, erwiderte sie stockend, wobei ihre Nervosität im Zittern ihrer Stimme und bestürzten Gesichtsausdruck in aller Deutlichkeit zum Ausdruck kam.
    Aus seiner Versunkenheit gerissen, kniete er sich hin und zog eine mit Muscheln überkrustete Daube zwischen zwei Steinen hervor. Eine von mindestens einem halben Dutzend, die an der kiesbedeckten Küste herumlagen. »Dann war ich also nur ein weiteres Stück eines beständigen Stromes von Treibgut«, sagte er und schleuderte das verfaulte Holz ins Wasser.
    »Diese Bucht bietet den Dorfbewohnern ein Auskommen. Sie suchen sie täglich ab. Hier finden sie Holz für ihre Häuser und Scheunen oder bei Stürmen verlorene Frachtfässer, die sie entweder selbst verwenden oder verkaufen können.«
    Sie raffte mit einer Hand ihre Röcke und trat auf einen flachen, von Wellen umspülten Felsvorsprung hinaus. »Was sie hier finden, kann manchmal den Unterschied zwischen Überleben oder Verhungern ausmachen.«
    »Und die Leichen?« Daighs Frage kam schärfer als beabsichtigt, weil er zu ignorieren versuchte, wie der Wind ihre Röcke an ihren Körper drückte und wie deutlich sich ihre langen, schlanken Beine unter dem Stoff abzeichneten. »Was wird aus denen?«
    »Wir schicken sie mit den angemessenen Riten und Gebeten nach Annwn «, antwortete sie und bückte sich, um ein paar Kiesel aufzuheben, die sie dann einen nach dem anderen in die Brandung warf.
    »Nachdem ihnen vermutlich alles Wertvolle genommen wurde.« Auch er richtete den Blick auf das Wasser und zu den prallen Segeln, die am Horizont zu sehen waren. »Und was ist mit denjenigen, die nicht bereit sind, sich von ihrem Besitz zu trennen?«
    Ein schuldbewusster Ausdruck verdunkelte ihre Augen. »Verzweiflung kann aus jedem Mann einen Wilden machen.«
    Schatten verdeckten urplötzlich die Sonne. Wütendes Gerede, rohes Gelächter, der kalte Stahl eines Messers, das seine Haut durchschnitt. Heißes Blut, das über seine Brust floss und in den kiesbedeckten Strand sickerte.
    Wut explodierte in seinem Schädel und erhitzte seine Glieder. »Hätte ich die Kraft gehabt, mich zu wehren, hätten sie mich ermordet, nicht?«
    Sie zuckte zusammen, ihr Gesicht wurde blass, und sie geriet ins Stolpern, bis sie mit einem Fuß schon in der Brandung stand. Mit einem unterdrückten Fluch richtete sie sich wieder auf und zog ihren durchnässten Rocksaum aus dem Wasser, bevor sie Daigh wieder ansah. Aber diesmal verdüsterte Ärger das Leuchten ihrer Augen. »Wir verhindern so viel Gewalt wie möglich, doch manchmal kommen wir zu spät.«
    Um die in ihm brodelnde Wut unter Kontrolle zu bekommen, ging Daigh mit großen Schritten zum anderen Ende der Bucht hinüber. Ungeduldig schob er kahle, überhängende Äste aus dem Weg, ließ sich von dem eisigen Wasser bespritzen und verscheuchte Seeschwalben, die erschrocken von ihrem Futter aufflogen.
    Er hatte sich erinnert. Für einen winzigen Moment hatte er sich erinnert. Aber wo eine Erinnerung war, mussten auch noch andere sein.
    Das Messer. Das Blut. Falls ihn sein Verstand nicht täuschte, hatten diese Aasgeier versucht, ihn zu ermorden. Geistesabwesend rieb er eine Stelle über seinem Herzen, die sogleich mit einem Kribbeln reagierte.
    Er fuhr herum und sah gerade noch Sabrinas ängstlichen Blick, bevor er hinter einer Maske der Gelassenheit verschwand.
    »Also, was hat sie davon abgehalten, mich zu töten?«, fragte er mit rauer Stimme.
    Sie kaute an einem Fingernagel und starrte ihn unter nachdenklich zusammengezogenen Brauen an. »Soll ich ehrlich sein? Ich habe keine Ahnung.«
    Er beobachtete sie. Sabrina empfand seinen Blick wie ein Prickeln zwischen den Schulterblättern, seine Gegenwart wie die schwüle, drückende Luft vor einem Gewitter. Auf dem Weg von den Schlafräumen zur Bibliothek überquerte sie gerade den Hof, wich mit flinken Schritten Pfützen aus und hob ihre Röcke ein

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