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Verführung der Finsternis: Roman (German Edition)

Verführung der Finsternis: Roman (German Edition)

Titel: Verführung der Finsternis: Roman (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Alix Rickloff
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Qualen nicht zu sehen. Sie bekamen auch so schon viel zu viel mit, nahmen ihn auseinander wie ein Schwarm von Geiern. Aber trotz all ihrer prüfenden, durchdringenden Blicke konnten sie ihm keinen Hinweis auf seine verlorene Vergangenheit geben. Was das anging, waren sie genauso unsicher wie er. Er brauche Zeit, versicherten sie ihm immer wieder. Zeit und Freiheit würden ihn wiederherstellen.
    Doch als er Schwester Liotha zu seinen neuen Aufgaben folgte, begann sich ein vager, beunruhigender Gedanke seiner zu bemächtigen. Er konnte weder auf Zeit noch auf Freiheit bauen. Beides verringerte sich von Tag zu Tag. Und an den Grund dafür konnte er sich, wie bei allem anderen, beim besten Willen nicht erinnern.
    Sabrina zerknüllte den Brief und schleuderte ihn mit einem befriedigenden Wurf in eine Ecke. Sie würde ihn später wieder aufheben müssen, bevor Jane ihn fand und las, im Moment jedoch tat es gut, ihren Ärger an einem Stück Papier auszulassen, das sich nicht wehren konnte.
    Aidan verlangte ihr sofortiges Erscheinen in Dublin. Schon wieder. Dies war der fünfte solcher Briefe, die sie in den letzten zwei Monaten erhalten hatte. Sein Befehl war in versöhnlicher Sprache abgefasst, aber die Aussage blieb die Gleiche: Er verstehe ihren Wunsch, schrieb er, sich nach den turbulenten Nachwirkungen des Todes ihres Vaters von der Gesellschaft zurückzuziehen, doch er könne ihr nicht länger erlauben, sich vor der Welt zu verbergen.
    Er schrieb von Einigkeit. Von Zielen. Von den »Douglas‹ gegen den Rest der Welt«. Als wären sie eine Familie. Aber es brauchte mehr als bloße Blutsverwandtschaft, um eine Familie zu sein. Und der Mord an ihrem Vater hatte diese Familie zerstört. Aidan konnte sie nicht einfach wieder mit Heftpflaster und falschem Optimismus zusammenflicken und so tun, als hätte es die letzten Jahre nie gegeben.
    Die Schwestern des Hohen Danu waren heute ihre einzige Familie.
    Selbst Schwester Brigh, so ungern Sabrina das auch zugab.
    Das war der Schluss, zu dem sie nach Stunden der Gewissensprüfung gekommen war. Und sie blieb dabei.
    Sie würde nicht nach Dublin gehen. Egal, wie viele Briefe Aidan ihr noch schrieb.
    Ihr ältester Bruder hatte ihren Enthusiasmus für das abgeschiedene bandraoi -Leben nie verstanden. Er hatte sich im Gewühl und Chaos der Stadt immer wohlgefühlt, konnte mühelos in die Haut eines Duinedon schlüpfen und hatte nur selten, falls überhaupt, irgendein Interesse an seinem Anderen -Erbe erkennen lassen. Bis auf die einfachste und grundlegendste Haushaltsmagie jedenfalls.
    Ganz im Gegensatz zu Sabrina. Sie hatte immer gespürt, dass ihr Anderen -Blut ihr nur allzu deutlich anzumerken war, und war sich stets wie ein Fisch auf dem Trockenen vorgekommen, wenn sie dazu angehalten worden war, etwas anderes vorzugeben. Mit großem Unbehagen erinnerte sie sich an die gestelzten Gespräche nachmittäglicher Besuche und ihre mauerblümchenhafte Schüchternheit auf Bällen und Gesellschaften. An die albernen, einfältigen jungen Frauen, die nichts anderes im Kopf hatten als eine vorteilhafte Heirat. Doch wann würde sie als Ehefrau eines »passenden« Ehemannes je wieder Gelegenheit bekommen, ihre magischen Kräfte einzusetzen? Ha! Sie würde verbannt werden in ein halbes Leben, und ihre andere und beste Hälfte bliebe zurück, unerwünscht und schnell vergessen.
    Ihre Bemühungen, eine bandraoi zu werden, mochten nicht so gut voranschreiten, wie sie es sich gedacht hatte. Doch es war ein Leben, das sie verstand. Ihre frühere Existenz erschien ihr mit jedem Jahr, das verstrich, wie ein Traum, der zu einer anderen Lady Sabrina Douglas gehörte. Auf jeden Fall nicht zu ihr.
    Die Turmglocken schlugen die volle Stunde. Zeit, sich bei Schwester Ainnir und ihren Aufgaben zu melden.
    Neuerdings war die tägliche Routine der Krankenstation zu … nun ja, zur Routine geworden. Den Kranken beistehen oder jenen, die Unfälle erlitten hatten, kurze Ausflüge zu den benachbarten Höfen und Dörfern, wenn eine Heilerin oder Hebamme benötigt wurde – und das war auch schon alles.
    Die beunruhigende Ankunft des Fremden hatte Sabrina für einige Tage aus dem Alltagstrott gerissen, aber seit Daighs Umzug in ein neues Quartier hatte sie sogar den kleinen Schauer der Erwartung verloren, der ihren Magen hatte kribbeln und sie schneller hatte atmen lassen.
    Doch vielleicht war es auch besser so.
    Denn dummerweise war sie sich des Mannes, der am Ende des langen, niedrigen Ganges wartete, schon viel

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