Verführung der Finsternis: Roman (German Edition)
zu stark bewusst geworden. Der Ungeduld, mit der er durch das Zimmer tigerte, der gebieterischen Ausstrahlung, die durch die Umstände zwar ein wenig erschüttert, aber noch immer erkennbar war in dem arroganten Zug um seinen Mund. Oder der rücksichtslosen Intensität seines ständig auf ihr ruhenden Blickes.
Daigh MacLir war der Name, den Ard-siúr ihm gegeben hatte. Als könnte man eine Identität so einfach aus dem Ärmel schütteln. Doch der Name passte zu ihm mit seinem harten, scharfen Klang.
Sabrina ließ ihn über ihre Zunge rollen. »Daigh. Daigh MacLir.«
Verärgert schüttelte sie das Zittern ab, das sie durchlief, und erhob sich, um den zusammengeknüllten Brief zu holen. Nein, Sabrina. Nein . Daigh war tabu. Verboten. Ein heimtückisches Hindernis, das ihr in den Weg gestellt worden war. Sie schickte ein schnelles Stoßgebet zu den Göttern, um sie um Kraft zu bitten.
Schwester Brigh hielt ihn für gefährlich. So weit würde Sabrina nicht gehen, doch Macht ging von ihm aus wie Rauch. Das hatte sie sofort gespürt. Sie wusste zwar nicht, wer er war, aber sie wusste, was er war.
Ein Anderer wie sie.
Nachdem sie Aidans Brief ins Feuer geworfen hatte, sah sie mit einer gewissen Genugtuung zu, wie sich die Ränder schwärzten und zu Asche zerfielen.
Ein Anderer . Halb Magier und halb Mensch. Ein Kind beider Welten.
Und wie sie gehörte er zu keiner von ihnen.
Sie bewegte sich mit der Raffinesse und Gewandtheit einer scheuen Kreatur des Waldes, die in jedem Schatten Raubtiere wahrnahm. Nicht schüchtern, nein. Mehr so, als wäre jeder neue Morgen ein Geschenk, das man nicht als selbstverständlich betrachten durfte, und jede Abenddämmerung ein glückliches Gelingen. Unter der flinken Heimlichkeit verspürte er jedoch einen bisher unerprobten Mut. Eine Kraft, die die gertenschlanke Anmut ihrer Haltung Lügen strafte.
Ihr dunkles Haar, das Mühe hatte, unter ihrem Tuch zu bleiben. Die neugierige Neigung des Kopfes, als sie den Pfad hinuntereilte, und die Art, wie ihr Körper sich ihm, Daigh, zuneigte, als besäße er ihre ganze Aufmerksamkeit. Ihre blauen Augen, die wie Edelsteine funkelten.
Er hatte sich nach ihr erkundigt in den Tagen, seit er zu Schwester Liotha entlassen worden war. Unauffällige kleine Fragen, die zu Gesprächen führten. Es gab immer so manche, die nur zu gern Informationen weitergaben, ganz gleich, wer die Fragen stellte.
Lady Sabrina Douglas.
Tochter und Schwester der Earls of Kilronan.
Ein Mitglied des Ordens, seit sie vor sieben Jahren im Alter von fünfzehn zu den Schwestern gekommen war.
Eine Andere mit einer selten einfühlsamen Gabe für das Heilen und eine angehende Priesterin des Hohen Danu .
Mit jedem weiteren Teilchen, das er dem Puzzle hinzufügte, versuchte Daigh, die seltsame, unerschütterliche Verbindung zwischen ihnen zu verstehen. Das Gefühl, dass Sabrina Douglas ein Teil seiner Vergangenheit gewesen war – und dass sie auch für seine Zukunft wichtig war.
»Da sind wir.« Sie hob den Kopf und atmete die kalte, salzhaltige Luft tief ein. Dann blickte sie über den schmalen Strand der Bucht auf die aufgewühlte graue See hinaus, und ein wehmütiger Ausdruck erschien auf ihrem Gesicht.
Daigh war überrascht gewesen, als sie ihn an diesem Morgen aufgesucht und ihm angeboten hatte, ihn zu der Stelle zu führen, an der er aufgefunden worden war. Natürlich hatte er zugestimmt. Nicht nur, weil er hoffte, der Anblick dieses Ortes würde vielleicht Erinnerungen in ihm wecken, sondern auch, weil es die perfekte Gelegenheit war, bei einem harmlosen Gespräch mehr über Sabrina herauszufinden. Das war jedoch schwieriger, als er vermutet hatte, da sie bisher jede seiner einleitenden Bemerkungen mit einem raffinierten Themenwechsel abgewendet hatte. Als sie den gut ausgetretenen Pfad zum Strand erreichten, hatte er das Gefühl, weniger über diese Frau zu wissen als zu Beginn ihres Spaziergangs.
Wich sie ihm absichtlich aus, oder war sie es einfach nur nicht gewohnt, im Mittelpunkt zu stehen?
Sie nahm das Tuch von ihrem Kopf, und eine Fülle brauner Locken löste sich aus ihren Nadeln. »Wir hatten vor einer Woche sehr starke Stürme. Könnte Ihr Schiff gesunken und Sie über Bord gespült worden sein?«
Er unterdrückte das jähe Verlangen, das ihre unbewusste Geste in ihm auslöste. »Möglich wäre es, aber ich kann mich an nichts dergleichen erinnern.« Er zuckte mit den Schultern und konnte den Blick nicht von ihr abwenden, als sie mit den Fingern durch
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