Verführung der Finsternis: Roman (German Edition)
und begann, an einem großen, vollkommen geschwärzten Topf zu schrubben. Nach dem Berg von Geschirr zu urteilen, das noch in der Spüle einweichte, würde sie die ganze Nacht hier stehen.
»Was hast du angestellt, dass du so spät noch in der Küche bist? Seid ihr nicht normalerweise mehrere, um den Abwasch zu erledigen?«
Sabrina beneidete die Freundin nicht um ihre Pflichten in der Glenlorgan’schen Küche, auch wenn Schwester Evangeline bei Weitem die fröhlichste der bandraoi war mit ihrem rosigen, engelsgleichen Gesicht. Tatsächlich wies sie eine bemerkenswerte Ähnlichkeit mit dem Prinzregenten auf, wenn dieser ein Kleid getragen hätte. Ein erschreckender Gedanke!
»Gewöhnlich sind auch mehr da, um zu helfen«, erklärte Jane, »aber Schwester Miriam liegt mit einer Kopfgrippe im Bett, Prudence quält sich mit ihrer Regel, und Charlotte besucht ihre Schwester in Cork, die ein Baby bekommen hat. Deshalb habe ich mich freiwillig angeboten. Es macht mir nichts aus. Ich bin gern mal allein, um in Ruhe nachzudenken.«
Mehr brauchte sie nicht zu sagen. Alleinsein war etwas Kostbares in Glenlorgan. Sabrina hatte die stillen Stunden der Nachtschicht auf der Krankenstation, Jane die nach dem abendlichen Abwasch. Wenn man lange genug hier lebte, lernte man, sich eine kleine Oase der Stille zu erkämpfen. Entweder das, oder man folgte Schwester Berthas fragwürdigem Beispiel und wurde stocktaub. Drastisch, aber wirkungsvoll.
»Ich habe dich heute Nachmittag mit Mr. MacLir gesehen.« Jane warf Sabrina ein verschmitztes Lächeln zu und fächelte sich mit einer schaumbedeckten Hand Luft zu. »Also, den würde ich heiraten, selbst wenn er röche wie ein totes Nilpferd.«
»Jane!«
»Erzähl mir nicht, du hättest nicht schon das Gleiche gedacht, Sabrina Douglas! Ich weiß doch, wie du ihn anschaust, wenn du denkst, es sähe niemand.«
Sabrina verzog das Gesicht. »Er ist ein ehemaliger Patient. Das ist alles.«
»Mm-hmm! Das war auch der einäugige Toby aus dem Dorf, der den Fischerhaken in der Lippe hatte, aber den hast du nie so angegafft.«
»Ach, du liebe Güte, sieh nur, wie spät es ist! Ich muss wieder zurück. Schwester Moira geht es schlechter. Ich muss da sein, falls sie erwacht.« Sabrina zeigte auf die Spüle. »Mach dich lieber wieder an die Arbeit! Dieser Topf schrubbt sich nicht von allein«, bemerkte sie.
Worauf eine Handvoll feuchter Schaum sie ins Gesicht traf.
Lachend wischte sie ihn ab und griff nach ihrem Tablett. »Wir sehen uns später in unserem Zimmer, ja?«
»Das glaube ich erst, wenn ich es sehe. Wie ich dich kenne, wird Schwester Ainnir dich zwingen müssen, dich ein paar Stunden hinzulegen.« Jane schrubbte den Topf mit genügend Kraft, um ein Loch in den Boden zu scheuern.
Das Tablett in der Hand, durchquerte Sabrina das Refektorium, ging die Treppe hinauf und öffnete die Tür zu einem Platzregen, den der Wind in Schleiern über den Innenhof trieb. Na großartig! Sie würde bis auf die Haut durchnässt sein und ihr Essen sich in Mus verwandeln, wenn sie riskierte, in dieses Unwetter hinauszugehen.
Also schloss sie die Tür schnell wieder und kehrte um. Wenn sie den oberen Gang nahm, der an den Arbeitszimmern vorbeiführte, konnte sie über die Osttreppe wieder hinunterkommen. Danach bliebe dann nur noch ein kurzer Sprint zur Krankenstation hinüber. Sie würde so zwar auch nass werden, aber nicht bis auf die Haut. Und ihr Abendessen würde es vielleicht sogar überstehen.
Der Gang hier oben lag im Dunkeln, das nur hier und da von hohen, regennassen Fenstern aufgelockert wurde, die tanzende graue Flecken auf den Boden warfen. Wie üblich fuhr kalte Zugluft durch den Flur, die Sabrinas Kopftuch zum Flattern brachte und ihr eine Gänsehaut verursachte. Weiter vorn schlug knarrend eine Tür hin und her, was gespenstisch wie in einem guten Schauerroman war. Wo blieb das Stöhnen der Geister? Das Rasseln der Ketten? Oder eine geisterhafte Weiße Frau?
Als Sabrina an Ard-siúrs Arbeitszimmer vorbeikam, vernahm sie ein so schauriges leises Knurren, dass sich ihr die Nackenhaare sträubten. Der Wind wählte ausgerechnet diesen Moment, um aufzufrischen und den Regen wie Steinchen gegen die Fenster zu schleudern, während das Knurren lauter und dann zu einem jämmerlichen Fauchen und Zischen wurde.
Aber sie hatte sich ja unbedingt nach Gespenstern umhören müssen!
Das Knurren gipfelte in einem wahnsinnigen Gezische und Gejaule, dann klirrte zerbrechendes Glas, und eine gar nicht
Weitere Kostenlose Bücher