Verführung der Nacht: Ein Vampirthriller (German Edition)
und blicke zu David auf. Verwirrung und Sorge überschatten sein Gesicht. Er drängt darauf, dass ich mich wieder hinlege. Ich will nicht. Sanft schüttele ich seine Hand ab.
»Ist schon gut.« Herrgott, wie oft habe ich das heute schon gesagt? »Ich bin wohl nur zu schnell aufgestanden. Mir war ein bisschen schummerig, weiter nichts.« Er sieht mich ungläubig an. »Bitte, David, ich muss hier raus. Bei Michael wird mir schon nichts passieren.«
»Schon wieder Michael?« An seinem Unterkiefer zuckt ein Muskel. »Himmel, Anna, wie könnte er dir besser über alles hinweghelfen als ich? Es ist mir egal, wie lange ihr euch schon kennt. Ich war bei dir, als es passiert ist. Ich fühle mich für dich verantwortlich. Du bist meine Partnerin.« Seine Stimme sinkt zu einem verzweifelten Flüstern herab. »Ich hätte dich beschützen müssen, statt ausgeknockt auf irgendeinem verdammten Parkplatz herumzuliegen. Das ist alles meine Schuld.«
Da haben wir es. Schuld. Er glaubt, er hätte das, was passiert ist, verhindern können. »Ich gebe dir nicht die Schuld an dem, was passiert ist, David. Wir waren schon oft in gefährlichen Situationen. Wir haben einen gefährlichen Beruf. Dieses Risiko habe ich akzeptiert, als ich den Job angenommen habe. Wir beide sind in der vergangenen Nacht verletzt worden, nicht nur ich. Und wir werden uns beide davon erholen.«
»Kann sein«, sagt er leise. »Aber meine Verletzungen sind nur körperlich. Was er dir angetan hat, ist viel schlimmer. Er hat dich vergewaltigt, Herrgott noch mal. Kann man sich von so etwas überhaupt je erholen?«
Von was eigentlich? Ich habe dieses Gefühl gründlich satt, dass ich eher eine willige Mitwirkende gewesen sein könnte als ein Opfer. Aber das kann ich kaum laut aussprechen.
Als ich nichts erwidere, fährt David fort: »Lass mich wenigstens versuchen, es wiedergutzumachen. Bleib bei mir. Ich kann auch zu dir nach Hause kommen. Keine Gloria, die uns die Hölle heiß macht.«
Er versucht es mit einer neuen Taktik. Sein Tonfall ist locker, fast scherzhaft. Vielleicht ist es an der Zeit, es ihm leichter zu machen. Ich sitze auf der Bettkante und klopfe leicht auf den Platz neben mir. Er lässt sich vorsichtig aufs Bett sinken, behindert von der Halskrause. »Du glaubst, Michael könne mir nicht helfen, das durchzustehen, und ich weiß auch, warum. Das hat nichts mit Michael zu tun, nur mit dir. Du fühlst dich schuldig.«
Er öffnet den Mund, um zu protestieren, aber ich schneide ihm mit einer Handbewegung das Wort ab. »Ich werde dir ein Geheimnis über Michael verraten. Als wir zusammen auf dem College waren, haben ihm ein paar Jungs von einer Verbindung vor einer Bar aufgelauert. Sie haben ihn halb totgeschlagen und einfach liegenlassen, und zwar nur deshalb, weil er schwul ist. Ich habe mich damals um ihn gekümmert. Er weiß, wie es ist, wenn einem Gewalt angetan wird. Besser als du, glaube ich. Du warst schon immer groß und furchteinflößend. Ich bezweifle, dass irgendwer je versucht hat, über dich herzufallen. Oder?«
Er errötet leicht.
»Na ja«, füge ich hinzu, »außer Donaldson, natürlich. Und wir sind uns beide einig, dass das nur Zufall war. Du bist gestolpert oder so, richtig?«
Er sagt weder ja noch nein, aber er streitet auch nicht mehr mit mir.
Das fasse ich als gutes Zeichen auf. »Und was Dr. Avery angeht – ich komme heute noch hier raus. Du brauchst hier niemandem auf den Schlips zu treten, indem du einen neuen Arzt für mich verlangst. Außerdem mag ich ihn. Er ist süß.«
Es funktioniert. David lächelt, richtig sogar. »Himmel«, sagt er. »Du bist echt unglaublich.«
Ich schlinge die Arme um ihn und drücke ihn an mich, vorsichtig, wegen der Halskrause. »Wann kannst du das Ding eigentlich abnehmen?«, frage ich und tippe sacht mit den Fingern an den steifen Verband.
Zur Antwort zerrt er daran, die Klettverschlüsse öffnen sich mit einem reißenden Geräusch, und er rupft sich das Ding vom Hals. »Jetzt.« Er wirft die Halskrause beiseite, dreht den Kopf nach links und rechts und neigt ihn vor und zurück. »Viel besser.«
Ich ziehe eine Augenbraue hoch. »Hättest du das wirklich tun sollen?«
»He, du vergisst, dass ich zehn Jahre lang in der NFL gespielt habe. Ich war schon viel übler zugerichtet als jetzt.«
Eine ganz normale Unterhaltung mit David zu führen, fühlt sich gut an. Keine Schuldgefühle, keine gegenseitigen Vorwürfe, sondern ein gewöhnliches Gespräch. Ich richte mich auf. »Also, ich
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