Verführung der Nacht: Ein Vampirthriller (German Edition)
bewundern.
Deshalb bleibe ich einfach da stehen, sehe den Segelbooten zu, die wie übermütige Pferde in der Bucht herumflitzen, und warte auf das Erscheinen meines nachlässigen Partners. Doch in Gedanken bin ich nicht bei der herrlichen Aussicht. Meine Emotionen wirbeln wieder einmal wild durcheinander. In einem Augenblick werde ich von Traurigkeit überwältigt, wenn ich an all das denke, was ich verloren habe, und im nächsten Moment bebe ich vor kalter Wut bei der Vorstellung, dass jemand das mit Absicht getan hat.
Schließlich werfe ich einen beiläufigen Blick auf die Uhr und merke, dass ich schon seit fünfzehn Minuten hier bin. Von David ist immer noch nichts zu sehen.
Hier stimmt was nicht.
Ich trete vom Balkon wieder hinein und lausche. Im Loft ist es unheimlich still. Sogar die Stereoanlage, die David immer laufen lässt, ist ausgeschaltet. Ich mache einen kleinen Rundgang, blicke in sämtliche Schlafzimmer, Bäder, die Küche und das Esszimmer, bis ich wieder im Wohnzimmer ankomme.
Er ist nicht hier.
Das verstehe ich nicht. Wenn er beschlossen hätte, noch schnell einkaufen zu gehen oder sonst etwas zu erledigen, hätte er mir eine kurze Nachricht geschrieben. Und ganz gewiss hätte er nicht einfach die Tür offen gelassen.
Ich gehe zurück durchs Esszimmer, um ihn vom Telefon in der Küche aus auf dem Handy anzurufen, als ich sie sehe.
Davids Brieftasche, sein Autoschlüssel und seine volle Geldscheinklammer liegen im Esszimmer auf der Anrichte.
Wie konnte ich das vorhin übersehen?
Hier stimmt etwas ganz und gar nicht.
Ich gehe näher heran und entdecke noch etwas.
Meine neuen, vampirischen Sinne schlagen Alarm.
Da ist ein dunkler, verschmierter Fleck von etwas Dickflüssigem an der Ecke des Glastischs, und noch einer auf dem Teppich darunter.
Das ist Blut. Ich fühle es.
Und ich weiß genauso sicher, dass es Davids Blut ist.
Kapitel 20
E ine grässliche Überzeugung macht sich in mir breit. Was auch immer David zugestoßen sein mag, es ist meinetwegen geschehen.
Ich kann nicht erklären, warum ich dieses Gefühl habe. Ich weiß nur, dass es stimmt, genau so sicher, wie ich weiß, dass ich auf Davids verschmiertes Blut starre.
Ich versuche, die Sache vernünftig zu durchdenken. Es könnte eine andere Erklärung geben. Vielleicht ist David irgendein scheußlicher Unfall passiert. Ich schnappe mir mein Handy, rufe Avery an, berichte ihm, was ich gefunden habe, und bitte ihn, sich in den Krankenhäusern der Stadt umzuhören, nur für alle Fälle.
Er verspricht mir, das sofort zu tun, und sagt, ich solle zu ihm kommen. Also nehme ich Davids Schlüssel von der Anrichte und renne zurück zu meinem Auto. Während der ganzen Fahrt nach La Jolla geht mir die Möglichkeit nicht aus dem Kopf, dass ich eine weitere Katastrophe ausgelöst habe, die diesmal meinen besten Freund getroffen hat – und das als direkte Folge meiner neuen »Gabe«.
Gabe. Erst das Feuer, jetzt David. Herrgott, wo geht man denn hin, um so ein Geschenk umzutauschen?
»Ich will nicht mal mein Geld zurück«, schreie ich in den Himmel hinauf. »Gebt mir nur mein Leben wieder, so, wie es vorher war.«
Aber dann hättest du nie Gelegenheit gehabt, mich kennenzulernen, nicht wahr?
Erst erschrecke ich ein wenig, als ich die Stimme erkenne. Dann werde ich ungeduldig. Nein, so was, das ist ja Casper. Aus heiterem Himmel wieder aufgetaucht.
Die Stimme klingt belustigt. Casper?
Vergiss es. Ich glaube nicht, dass du das verstehen würdest. Wo bist du?
Schau in den Rückspiegel.
Hinter mir fährt ein zerbeulter alter Pick-up. Die Windschutzscheibe spiegelt die Sonne, so dass ich den Fahrer nicht erkennen kann.
Was willst du?
Ein Dankeschön wäre nett. Schließlich habe ich dir neulich nachts dein Auto gebracht.
Danke. Und jetzt entschuldige mich bitte, ich kann gerade nicht anhalten, um ein bisschen mit dir zu quatschen. Ich bin sehr beschäftigt.
Ich weiß. Dein Freund wurde entführt.
Das bringt mich beinahe dazu, die Bremse durchzutreten. Ich wäre schnell genug aus dem Auto heraus, ehe er –
Versuch das gar nicht erst. Ich bin älter als du. Hundertvierzig Jahre älter. Glaub mir, ich bin schneller.
Frustriert umklammere ich das Lenkrad. Wenn du etwas weißt, das David helfen könnte, und es mir verschweigst, ist es mir egal, wie viel älter du bist. Ich werde dich jagen und töten.
Das ist mir klar. Ich weiß nicht, wer ihn hat. Das ist die Wahrheit.
Was nützt du mir dann? Warum bist du hier?
Um dich zu
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