Verführung der Schatten
wieder zur Besinnung zu kommen. Aber dann zogen sich ihre Augenbrauen zusammen, als sie Cadeon ins Gesicht blickte.
Seine Augen waren nun tiefschwarz, und seine Hörner hatten sich aufgerichtet und waren dicker geworden. So wie bisher jedes Mal, wenn sie einander nähergekommen waren.
Doch sie hatte nichts von alledem bemerkt, als er Imatra geküsst hatte.
Ob das daran lag, dass er schon befriedigt worden war? Oder war er alles andere als zufrieden gewesen?
„So.“ Sie duckte sich unter seinem Arm hindurch. „Ich hab’s getan.“
„Das hast du“, sagte er mit heiserer Stimme. „Ich bin nur froh, dass ich den hier mitgenommen habe.“ Er setzte seinen wettergegerbten Lederhut auf, der ihr Herz schneller schlagen ließ. Sobald sich seine Augen wieder normalisiert hatten, sagte er: „Dann schleich ich mich jetzt mal hier raus und setz mich zu den ganzen anderen ratlosen Männern da draußen, die nicht wissen, wie sie eigentlich hierhergekommen sind.“
„Warte!“ Sie zeigte auf seine Tasche.
Er tat so, als missverstehe er sie. „Er steht dir ganz zu Diensten, meine Liebste.“
Sie verdrehte die Augen und hauchte: „Mein Höschen .“
Er überreichte es ihr mit einem schamlosen Grinsen. Und dann hatte sie die Umkleidekabine endlich für sich. Doch als sie den Reißverschluss einer Dreihundert-Dollar-Jeans zuzog, erstarrte sie. Ich kann die Mädchen nebenan flüstern hören.
Holly wusste, dass sie sich gegenseitig ins Ohr flüsterten, vermutlich hinter vorgehaltener Hand, aber sie konnte dennoch deutlich jedes Wort verstehen.
„Er ist so verdammt süüüß. So was hast du echt noch nie gesehen. Tu so, als ob du mir eine andere Größe holst und guck ihn dir selber an.“
Und Holly hörte genau, wie ihre Herzen pochten, jedes Mal wenn sie an ihm vorbeigingen und in die Kabine zurückkehrten.
Was bedeutete, dass er sie ebenfalls hören konnte. Kein Wunder, dass er wusste, wie atemberaubend er war.
„Komm raus, damit ich dich sehen kann“, rief er.
Sie betrachtete sich kurz im Spiegel und hätte ihr eigenes Spiegelbild fast nicht erkannt. Sie hatte keine Jeans mehr getragen, seit sie ein Teenager war. Und weil sich ihr Knoten beim Anprobieren der Rollis immerzu aufgelöst hatte, hatte sie ihr Haar schließlich einfach in zwei Zöpfe geflochten, die ihre Ohren bedeckten. Die Brille hatte sie nicht auf, weil sie sie nicht mehr brauchte. Ihre Wangen waren rosig, ihre Haut schien zu leuchten. Genau wie bei Nïx.
Sie schürzte die Lippen. Sie hasste es, zugeben zu müssen, dass es durchaus von Vorteil war, eine Walküre zu sein.
„Jetzt komm schon.“
„Nur noch eine Minute!“
Und dann stand er schon vor ihrer Tür. „Ich konnte es nicht mehr erwarten, dich zu sehen, Kleines.“
Eines der Mädchen in der Kabine nebenan seufzte, als sie das hörte.
„Die Jeans passt nicht.“ Obwohl sie an der Taille zu weit war, war sie hinten zu eng. Sie drehte sich um und betrachtete ihre Rückseite im Spiegel. Sie hatte gar nicht gewusst, wie riesig ihr Hintern war. Kein Wunder, dass Cadeon ihn ständig anstarrte.
„Dann hol ich dir eine andere Größe.“
„Nein, sie sind sowohl zu groß als auch zu klein.“
„Überlass das mal mir.“
„Na gut.“ Sie öffnete die Tür.
Sein Mund öffnete sich. „Dreh dich mal um.“ Sobald sie sich verlegen einmal um sich selbst gedreht hatte, sagte er: „Also, ich hatte ja gedacht, dass dein Arsch in einem deiner Röcke schon atemberaubend ist, aber dein Arsch in Jeans ist sogar noch besser.“
Als die Mädchen nebenan wieder zu kichern anfingen, warf sie ihm einen bösen Blick zu. Ungerührt streckte er die Hand aus und packte ihre Computertasche. Dann drehte er sich um und zog sie mit sich. „Was machst du denn?“
„Wir sind fertig.“
„Aber die Hose passt nicht“, wiederholte sie.
„Wir kaufen dir einen Gürtel.“
„Warte, das ist doch nur ein Outfit!“
„Von wegen. Wir nehmen einfach fünf von diesen umwerfenden Jeans und den Pulli je einmal in jeder Farbe, und dann sind wir fertig. Klar?“ Draußen im Laden angekommen, sagte er: „Verdammt, das war knapp. Ich hab dich gerade noch rechtzeitig da rausgeholt.“
„Wovon redest du denn überhaupt?“
„Du warst so kurz davor, den Mädchen die Augen auszukratzen, weil sie sich für deinen Dämon interessierten. Gefahr im Verzug, nennt man das wohl – Menschenleben standen auf dem Spiel.“
„Du bist nicht mein Dämon.“
„Nein? Du hast mich aber geküsst, als ob es so
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