Verführung Der Unschuld
klingelte eine Stunde später bereits der Wecker.
»Buon giorno, Signori«, sagte sie freundlich. Alles an diesem Morgen war anders, und sie
musste sich mächtig zusammenreißen, um den Anschein der Normalität zu wahren. Sie
schenkte Federico nur einen flüchtigen Blick, um nicht in Verlegenheit zu geraten, und stellte
jedem eine Tasse mit Cappuccino hin. Die schweigsame Atmosphäre stellte ihr die
Nackenhaare auf. Normalerweise unterhielten sich die beiden Brüder angeregt miteinander,
wenn sie hineinkam. Nun aber wurde sie von beiden unverhohlen angestarrt. Konnte es etwa
sein, dass Signor Lorenzo Bescheid wusste?
Federico löste die Spannung auf und trieb gleichzeitig eine dunkle Röte auf Giulias Wangen,
indem er ihre Hand nahm und ihr einen zarten Kuss darauf hauchte. »Guten Morgen, meine
Kleine! Du siehst wieder ganz zauberhaft aus! Hast du gut geschlafen nach unserem
Rendezvous?«
Giulia starrte wie paralysiert auf ihn, schwankte zwischen Panik und Kichern, entsetzt
darüber, dass er vor seinem Bruder so offen mit ihrer Liebe umging – denn ja, sie hielt es für
Liebe. Sie wusste nichts anderes. Dass er es noch nicht ausgesprochen hatte und stattdessen
merkwürdige Ansprüche an sie stellte, tat der Sache keinen Abbruch.
Sie fühlte, wie die Hitze der Verlegenheit von ihr Besitz ergriff, aber ehe sie dazu kam in
irgendeiner Weise zu reagieren, hatte Federico sie an der Hüfte gepackt, auf seinen Schoß und
in seine Arme gezogen und küsste sie stürmisch. Sie gab mit einem Aufstöhnen, das durch
seinen Mund auf ihren Lippen erstickt wurde, nach und erwiderte seinen Kuss ebenso gierig.
Er küsste sie lange und ausgiebig, und sie genoss es mit jedem Millimeter ihres Körpers, von
ihm gehalten zu werden, und vergaß dabei völlig die Anwesenheit seines Bruders. Dann war
es leider vorbei.
»Genug!« Lachend schob Federico sie wieder von seinem Schoß, zupfte ihren Rock glatt
und gab ihr einen wohlmeinenden Klaps auf den Po, den sie damit quittierte, dass sie sich
anzüglich über die Lippen leckte. »Los, an die Arbeit, meine Süße! Bis heute Abend!« Dabei
steckte er ihr noch von Lorenzo unbemerkt schnell einen Zettel in die Schürzentasche und
schaute sie verschwörerisch an.
Ohne Lorenzo eines Blickes zu würdigen, ging sie zur Tür, drehte sich noch einmal um,
warf Federico eine Kusshand zu, dann war sie verschwunden.
Lorenzo grinste unverhohlen seinen Bruder an. »Du hast es also getan?! Erzähl – wie hat sie
sich angestellt?«
Draußen lehnte Giulia sich einen Augenblick an die Tür. Sie war noch ganz verwirrt, dass
Federico sie im Beisein seines Bruders geküsst hatte – soviel also zum Thema Geheimhaltung
– und schob nun ihre Hand in die Tasche, um den Zettel herauszuholen. Er war
zusammengefaltet, und als sie ihn auseinandermachte, kam ein ebenfalls gefalteter Geldschein
zum Vorschein. Mit Kugelschreiber war auf den Zettel in männlich markanter, gut lesbarer
Handschrift geschrieben:
Heute Abend acht Uhr. Selber Ort. Erwarte mich auf dem Boden kniend und nackt.
Kein Hinweis darüber, dass das Geld wohl der Ersatz für ihr zerrissenes Nachthemd war.
Immerhin hielt er sein Wort. Auf dem Boden kniend und nackt! Was dieser Mann für
eigenartige Ideen hatte. Giulia lächelte versonnen. Aber sie würde es tun, alles, wenn er nur
wieder so aufregend zärtlich zu ihr war.
***
»Wow! Du hast der Kleinen ja gehörig den Kopf verdreht!« Lorenzo fühlte sich nach
Federicos Erzählung so, als ob er die Szene wie ein neutraler Beobachter miterlebt hatte, und
er hätte einiges darum gegeben, an Stelle seines Bruders gewesen zu sein oder es ihm
möglichst bald gleich zu tun. In ihrem kurzen grünen Arbeitsröckchen und dem engen gelben
Top strahlte Giulia an diesem Morgen einen aufreizenden Lolita-Charme aus, dem auch er
sich nicht zu entziehen vermochte.
Bald danach verließen die Brüder das Haus, um einen Kunden zu treffen.
***
»Giulia, komm endlich.« Die Mamsell stand in der offenen Tür des Fiats auf dem Parkplatz
vor den Garagen, bereit, jederzeit einzusteigen.
Giulia lief fast im Galopp über den Parkplatz. Eine besondere Aufgabe wartete auf sie, und
sie freute sich darauf, war aber auch ein wenig aufgeregt. Sie hatte sich nur schnell
umgezogen, ihre Dienstmädchenkleidung gegen T-Shirt, Jeans und Turnschuhe getauscht,
und dafür wohl ein wenig länger gebraucht, als Mamsell Concetta angenommen hatte.
Beim gemeinsamen Frühstück hatte die Mamsell Giulia darauf angesprochen, dass
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