Verführung Der Unschuld
ihr
aufreizendes Dekolleté und stellte sich vor, wie es wäre, mit ihr zu vögeln – und nun hatte er
es einfach getan! Schnell, unkompliziert, ohne Raffinesse, nur seinem Drang nachgebend. Mit
einem Überdruck wie ein unter dem kochenden Wasser pfeifender Kessel.
Als er Federico am nächsten Morgen davon erzählte, kurz bevor Giulia den Kaffee brachte,
hatte er zumindest einen Anflug von Eifersucht erwartet. Aber das Gegenteil war der Fall.
Federico war offensichtlich mehr als einverstanden und lachte vergnügt.
»Mach dir nicht so viele Gedanken, Lorenzo. Haben wir uns nicht schon als Kinder unser
Spielzeug geteilt?«
Lorenzo lächelte gequält. Spielzeug? Gewiss, sie hatten gemeinsam einen Plan zu Giulias
Verführung geschmiedet und dabei alles andere als ernste Absichten gehabt, aber das junge
Mädchen als Spielzeug zu bezeichnen, ging selbst ihm zu weit.
***
Federico grinste unablässig, während Giulia hereinkam. Sie wich seinem Blick irritiert aus,
stellte ihm seinen Cappuccino hin und ging weiter.
Lorenzo hielt sie fest, nachdem sie ihm ebenfalls seinen Cappuccino hingestellt hatte, und
auf einmal wedelte er vor ihren Augen mit dem Slip in der Luft, den er am Abend zuvor beim
Verlassen ihres Zimmers stibitzt hatte. »Erkennst du ihn wieder? Wenn ich mich nicht irre,
dann ist das deiner?“
Federico lachte schallend über ihr verdutztes Gesicht und das erschrockene Huch! , als
Lorenzo sie jetzt auch noch auf seinen Schoß zog und ungeniert küsste. Dieser
Überraschungsmoment war eindeutig gelungen. Giulia gab sich widerstandslos seinem Kuss
hin, wie gelähmt von der dämmernden Erkenntnis, dass nicht Federico, sondern Lorenzo der
Mann in ihrem Zimmer gewesen war.
Dann schob Lorenzo Giulia von seinem Schoß und reichte ihr über das ganze Gesicht
schelmisch grinsend den Slip. »Köstlich, die letzte Nacht. Hat es dir gefallen?«
»Ja, ja, Signor Lorenzo«, stotterte Giulia mit hochrotem Kopf. Das vergnügte Lachen der
Gemelli schallte noch lange in ihren Ohren, nachdem sie hinausgelaufen war.
Kapitel 10
Heimspiel
Ein paar Tage und Abende später, die Giulia und Federico erneut im Pavillon verbracht
hatten, hatte sie eine Woche frei. Eine ganze Woche! Es erschien ihr vollkommen unwirklich,
mehrere Tage zu ihrer freien Verfügung zu haben, so lange arbeitete sie nun schon bei wenig
Freizeit. Es war wie ein Geschenk. Ein ungeheuer kostbares Geschenk.
Während der Zug die etwa siebzig Kilometer lange Fahrt nach Florenz aufnahm, draußen
die Landschaft vorbeisauste, und er nur kurz an den verschiedenen Bahnhöfen von
Altopascio, Pescia, Montecatini, Pistoia und Prato verweilte, reflektierte Giulia die
vergangenen Wochen und überlegte, wie sie sich zu Hause verhalten sollte, wem sie was
erzählen oder nicht erzählen durfte.
Als die Silhouette ihrer Heimatstadt sichtbar wurde, stand sie auf und lehnte sich ans
Fenster. Die Dächer der Stadt wurden eindrucksvoll von den Türmen der vielen Paläste und
Kirchen überragt. Mittendrin erhob sich als besonderes Highlight die gewaltige achteckige
Kuppel des Domes Santa Maria del Fiore aus dem 15. Jahrhundert. Giulia war seit ihrer
Kindheit immer wieder von der Erhabenheit des Bauwerks und seiner Fassade aus rotem,
grünem und weißem Marmor beeindruckt gewesen. Sie erinnerte sich, wie sie eines Tages
ganz bewusst zu dem knapp fünfundachtzig Meter hohen Glockenturm, dem Campanile,
aufgeschaut hatte und sich dabei winzig wie eine Ameise vorgekommen war.
Den schönsten Ausblick über den historischen Stadtkern hatte man vom Michelangelo-Park.
Giulia nahm sich vor, an einem der Nachmittage mit ihrer Mutter einen Spaziergang durch
den Park zu machen und sie anschließend in ein Café einzuladen. Schließlich konnte sie
mangels Zeit und Gelegenheit kein Geld ausgeben und verfügte somit über genügend
Bargeld, um auch einmal ihrer Mutter etwas Gutes zu tun. Hoffentlich würde sich Mama über
die Porzellanfigur der Maria Dolorosa, die sie inbrünstig verehrte, freuen. Giulia schmunzelte.
Von ihrem früheren Einkaufswahn und ihrer Jagd nach Kosmetika und Modeartikeln war
nichts übrig geblieben. Es kam ihr beinahe merkwürdig vor, an den kommenden Tagen sich
nach Belieben zu kleiden. Sie strich mit einer Hand über den Stoff ihrer schwarzen Jeans. Es
war schön, mal etwas anderes zu tragen als Blusen und Röcke.
Was würde sie noch machen? Auf jeden Fall sich möglichst bald mit ihrer besten Freundin
Violetta treffen. Sie war die Einzige, der sie
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