Verführung Der Unschuld
»Und
was soll ich einpacken – ich weiß gar nicht, ob ich das so schnell schaffe …“
»Du musst nichts packen. Das hat schon Antonella für dich gemacht, und solltest du etwas
vermissen, gehen wir unterwegs einkaufen. Und nun: avanti !«
***
Antonella verfügte offensichtlich über einen Zweitschlüssel, denn nachdem Giulia ihr
Zimmer aufgeschlossen hatte, wurde sie davon überrascht, dass ihr Bett gemacht war und
darauf das schönste Sommerkleid lag, das sie je gesehen hatte. Ein kräftiges Gelb, wie es
Giulia am besten stand, mit winzigen roten Blumen, ein tiefer Ausschnitt, Spaghettiträger,
enge Taille. Wer anders als Antonella sollte hier gewesen sein und es auf ihrem Bett drapiert
haben?
Antonella erschien ihr immer geheimnisvoller, mal wirkte sie verschlossen, dann wieder
sehr freundlich.
Neben dem Kleid lag eine entzückende kleine Handtasche, die dem neuesten Trend
entsprach, schmal und für nicht mehr als die notwendigste Kosmetik, Ausweis und Schlüssel
geeignet. Farblich ganz und gar zum Kleid passend. Vor dem Bett standen ein paar
hochhackige modische Sandaletten, auf deren schmalen Lackriemchen kleine Strasssteine
glitzerten. Eine kleine Kette mit zwei Herzen aus rubinfarbenem Glas ergänzte die
Accessoires.
Aufgeregt schlüpfte Giulia aus ihren Sachen und in das neue Kleid. Es passte wie
angegossen, und weil die Korsage besonders knapp geschnitten war, war sie trotz des tiefen
Kleidausschnitts nicht zu sehen. Zufrieden betrachtete sie ihr Dekolleté im
Badezimmerspiegel und leckte sich über die Lippen.
Noch immer schwirrte in ihrem Kopf die Frage: Wohin?
Sie steckte Handy und Geldbörse in die Handtasche, sah sich noch einmal kritisch um, ob
sie nichts vergessen hatte, dann eilte sie hinüber zur Villa.
Mario war dabei, Gepäck in den Kofferraum des schwarzen Alfa Romeo 166 zu laden. Die
elegante sechs-Zylinder-Limousine war der einzige Nicht-Zweisitzer des Moreno’schen
Fuhrparks. Mario tippte zum Gruß an seine Schirmmütze und lächelte Giulia freundlich zu.
Eben betraten Federico und Lorenzo die kurze, von zwei steinernen Löwenköpfen bewachte
Treppe vorm Eingang, gefolgt von Mamsell Concetta, der sie letzte Anweisungen für die Zeit
ihrer Abwesenheit gaben. Concetta nickte Giulia wissend zu. Zu Giulias Verwunderung
schienen alle Bescheid zu wissen, dass sie mit den Morenos wegfuhr. Was hatten sie ihnen
erzählt? Dass dies eine Geschäftsreise war, auf der sie benötigt wurde – als was?
Lorenzo unterbrach ihre Gedanken und gab ihr ein Zeichen, sich vor seinen Augen zu
drehen. Giulia tat ihm den Gefallen, und er strahlte zufrieden. »Du siehst bezaubernd aus!
Steig bitte ein.«
Giulia machte es sich auf dem mit schwarzem Stoff bezogenen Rücksitz bequem. Das
Wageninnere roch angenehm frisch. Irgendwo musste ein Duftstoff versteckt sein, der sein
Aroma verströmte.
Federico ließ den Motor an und lenkte die Limousine langsam die lange Auffahrt durch den
Park. Er drehte sich kurz um und sah Giulia an, die hinter Lorenzo saß. Ihrer Miene war eine
gewisse Aufgeregtheit anzusehen. Sie lächelte ein wenig scheu, noch immer irritiert darüber,
dass sie zusammen wegfuhren. Nun würde sich endgültig jeder, der es noch nicht wusste,
einen Reim auf ihr Verhältnis zu den Brüdern machen. Schließlich war sie nicht die
Sekretärin der Morenos, dann wäre es vielleicht normaler erschienen, aber so …
Federico konzentrierte sich auf die Straße, nahm die Landstraße nach Lucca und bog von
dort auf die Autobahn Richtung Pisa und Livorno ab.
Giulia sah zum Fenster hinaus und sog die wechselnde Landschaft in sich auf. Sie fühlte
sich wie befreit, genoss das Nichtstun und nahm alle Eindrücke gierig in sich auf. Endlich
Abwechslung! Und noch dazu in überaus charmanter Begleitung.
Auf der Autobahn bis Rom ergab sich mehr als einmal die Gelegenheit, die sportliche Note
des Wagens aufleben zu lassen. Grollend hoben die 240 Pferdestärken zum Überholen an.
Lorenzo war derjenige, der die Unterhaltung übernahm, während Federico sich ausschließlich
mit dem dichten Verkehr beschäftigte.
Es dauerte eine Weile, bis Giulia völlig ungezwungen antwortete und über den einen oder
anderen Scherz, den Lorenzo machte, ungeniert lachte. Noch länger brauchte sie, ihre Anrede
zu ändern. Denn Lorenzo erklärte ihr, dass sie die beiden in den nächsten Tagen mit
Vornamen anreden und duzen sollte. Sie würden überall als Cousins und Cousine auftreten,
die zusammen auf Bildungsreise wären. Die
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