Verfuehrung im Harem
traurig. „Natürlich, aber sie sind in einem Internat in der Stadt. Weil wir nicht sesshaft sind und mit den Herden umherziehen, sind mein Mann und ich der Meinung, dass sie dort eine viel bessere Erziehung und Ausbildung genießen, als wir sie ihnen bieten könnten, wenn sie bei uns bleiben würden. Ich vermisse sie aber sehr.“
„Als wir ankamen, habe ich einige Kinder im schulpflichtigen Alter gesehen. Was ist mit ihnen?“, erkundigte sich Jessica.
„Sie werden von mir unterrichtet. Doch wenn sie älter werden, können wir ihnen nicht mehr viel bieten.“
„Dann seht ihr eure Kinder also monatelang nicht, oder?“
„Ja, leider.“ Ihre Tante seufzte, schüttelte jedoch dann die Traurigkeit ab. „Ihr seid bestimmt müde. Ich zeige euch das Haus, das ich für euch vorbereitet habe.“
Jessica hatte das beunruhigende Gefühl, dass es längst nicht so geräumig war wie Kardahls Suite, sondern wahrscheinlich nur ein einziger Raum und so klein wie dieser. Sie war froh, dass er sie begleitet hatte, aber sie hatte nicht damit gerechnet, dass sie täglich vierundzwanzig Stunden auf engstem Raum zusammenleben mussten.
Jessica blickte sich in der Unterkunft um, die man auch als Zelt oder Hütte bezeichnen konnte und in der sie und Kardahl die Nacht verbringen sollten.
„Es liegt etwas abseits von den anderen Unterkünften“, stellte sie fest.
„Wir sind doch in den Flitterwochen“, erinnerte Kardahl sie. „Deine Tante ist sehr rücksichtsvoll.“
„Wahrscheinlich ist es besser, sie in dem Glauben zu lassen, es sei alles in Ordnung, statt ihr zu erzählen, dass wir die Ehe annullieren lassen werden.“
„Ja, der Meinung bin ich auch“, stimmte er ihr zu. „Auch wenn wir weit entfernt von der Stadt und jeder Zivilisation sind, würde die Nachricht die Medien schnell erreichen. Und das wäre ganz und gar nicht in unserem Sinn.“
„Nein.“ Sie drehte ihm den Rücken zu und hoffte, er würde in dem gedämpften Licht, das die Gaslampe verbreitete, nicht merken, dass sie errötete. „Ich finde, es ist richtig gemütlich hier, allerdings ist es längst nicht so luxuriös, wie du es gewöhnt bist.“
„Oh, man behauptet doch, ich würde mich in allen möglichen Schlafzimmern wohlfühlen“, stellte er belustigt fest.
Jessica warf ihm einen Blick über die Schulter zu und sah, dass es in seinen Augen rätselhaft aufleuchtete. Was hatte das zu bedeuten? Welchen Preis sollte sie dafür bezahlen, dass er sie hierher begleitet hatte?
Vielleicht sollte ich mich doch meiner Tante anvertrauen und ihr verraten, dass wir nicht wirklich ein Paar sind, überlegte sie. Nein, das war keine gute Idee, denn sie wollte Kardahl und seine Familie nicht in Verlegenheit bringen. Er war ihr gegenüber sehr rücksichtsvoll, nett und freundlich und verhielt sich wie ein guter Freund. Außerdem war ihre Tante ganz offensichtlich sehr glücklich darüber, dass Jessica und Kardahl doch noch zusammengekommen waren. Wenn sie ihrer Familie einen Grund gab, sie zu hassen, würde sich ihre Befürchtung, man würde sie zurückweisen, am Ende doch noch bewahrheiten.
Sie hatte das Gefühl, in der Falle zu sitzen, und wie immer in solchen Fällen wurde sie ausgesprochen mutig. Sie schlenderte zu dem Bett und schaute Kardahl an. „Wie findest du das hier im Vergleich zu all den anderen Schlafzimmern, die du kennst?“, fragte sie herausfordernd.
Betont langsam ließ er den Blick über ihren Körper gleiten. „Es hat einen ganz eigenen Charme.“
Sein Blick und der Ton, der in seiner Stimme schwang, ließen Jessica erbeben. Ihr Mut verließ sie wieder. Während sie zum Tisch ging und sich darüberbeugte, um an den Blumen in dem Krug zu riechen, erwiderte sie: „Ja. Meine Tante hat sich viel Mühe gegeben.“
„Eine nette Geste, uns Blumen hinzustellen.“
Beim Klang seiner tiefen, verführerischen Stimme überlief es Jessica heiß. Meine Güte, wenn ich schon so heftig auf seine Stimme und seine Worte reagiere, was geschieht dann mit mir, wenn er mich mit den Händen berührt?, fragte sie sich beunruhigt.
„Zuerst müssen wir etwas Grundsätzliches klären“, verkündete sie rasch.
„So? Was denn?“
„Wenn wir duschen und uns umziehen …“
„Du meinst, jeder für sich, oder?“, unterbrach er sie.
„Genau. Also, wenn einer von uns beiden unbeobachtet sein möchte, sollte der andere hinausgehen.“
„Einverstanden.“
„Und das Bett …“ Sie betrachtete es. Es war ziemlich breit, zweifellos ein Doppelbett.
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