Verfuehrung im Harem
energisch.
„Träum süß, Jessica.“
Kardahl hatte so manche Nacht in fremden Betten verbracht. Immer hatte er tief und fest geschlafen und war am nächsten Morgen frisch und munter aufgewacht. Doch nach der Nacht neben seiner Frau war er müde und gereizt.
Es war ihm unendlich schwergefallen, Jessica nicht anzufassen, wenn sie ihn im Schlaf berührte oder im Traum seufzte. Er hatte praktisch die ganze Nacht kein Auge zugetan, geschweige denn geträumt.
Nach dem Frühstück hatten sich ihre Wege getrennt. Jessica verbrachte den Tag mit ihrer Tante, begleitete sie durch das Dorf und in die Schule. Kardahl leistete den Männern Gesellschaft und ließ sich von ihnen die Pferde zeigen. Als er später zu dem Zelt ging, in dem der Schulunterricht stattfand, konnte er es kaum erwarten, seine Frau wiederzusehen.
Sie spielte auf dem Vorplatz mit den Kindern Ball. Die leichte Brise zerzauste ihr braunes Haar, das im Sonnenschein glänzte. Sie trug eine weiße ärmellose Baumwollbluse und Jeans. Ihre Wangen waren gerötet, sie lachte und schien glücklich zu sein. Während er sie beobachtete, durchflutete ihn plötzlich heftiges Verlangen. Es muss etwas damit zu tun haben, dass ich nicht geschlafen habe, versuchte Kardahl sich einzureden.
Sie winkte ihm zu, und die Kinder wurden ganz still, als er näher kam. Mit ihren großen dunklen Augen sahen sie ihn aufmerksam an und stoben auseinander, als er vor ihnen stehen blieb.
Jessica blickte ihn belustigt an. „Sie sind etwas scheu“, sagte sie. „Wie war der Tag, mein Lieber?“
Er zog eine Augenbraue hoch. Was verschafft mir die Ehre, von ihr mit „mein Lieber“ angeredet zu werden?, überlegte er belustigt. „Ich habe ein Pferd gekauft.“
„So?“ Sie war überrascht. „Für dich?“
„Nein, für die zukünftige Frau meines Bruders Malik. Er hat mich darum gebeten.“
„Hoffentlich lässt sie sich die Dokumente, die sie unterschreiben soll, vorher übersetzen“, erwiderte Jessica spöttisch.
„Er ist der Kronprinz, und schon allein deshalb wird es keinerlei Missverständnisse geben.“
„In der Sache ist sicher das letzte Wort noch nicht gesprochen“, neckte sie ihn.
„Wie war dein Tag, meine Liebe?“
Jetzt war sie diejenige, die eine Augenbraue hochzog. Doch genau wie er kommentierte sie das Kosewort nicht. „Ich war mit meiner Tante hier in der Schule.“
„Und wie war es?“
Sie riss ein Blatt von einem Strauch und zerrieb es in der Hand. „Der Unterricht findet unter erschwerten Bedingungen statt. Es gibt nicht genug Schulbücher für alle Kinder, und es ist alles ziemlich primitiv. Von Computern und moderner Technologie können die Leute hier nur träumen.“
„Das würde auch viel Geld kosten“, antwortete er.
„Ich finde es beschämend für ein Land, das dank seiner Ölvorkommen sagenhaft reich geworden ist, dass nicht allen Kindern modernste Lernmittel kostenlos zur Verfügung gestellt werden.“ Der Blick, den sie ihm zuwarf, war vorwurfsvoll und missbilligend. „Das hast du zu verantworten!“
„Wieso das denn?“
„Meine Tante hat erzählt, man hätte vor einigen Jahren um staatliche Mittel zur besseren Ausstattung der Schule gebeten, doch die Petition sei offenbar von dir gar nicht bearbeitet worden.“
„Ich verstehe.“
„Wirklich?“, fragte sie.
Vor zwei Jahren war er in Schmerz und Trauer versunken gewesen. Er konnte sich nicht mehr daran erinnern, was damals um ihn her geschehen war. Seine Arbeit hatte er beinah automatisch erledigt, ohne mit dem Herzen dabei zu sein.
„Die Menschen hier gehören zu deinem Land und sogar zu deiner Familie“, fuhr Jessica fort, als er nicht antwortete. „Sie leben natürlich ganz anders als ihr, aber dennoch solltet ihr es ihnen ermöglichen, an den neuesten Errungenschaften der Technik, die Kommunikation zu einem Kinderspiel machen, teilzuhaben. Kinder sind das wertvollste Gut, das wir haben, und irgendjemand muss sich ja für sie einsetzen.“
„Du wärst eine ausgezeichnete Fürsprecherin für die Kinder. Schade, dass du nicht hierbleiben willst.“ Und das meinte er ehrlich, wie er sich eingestand. Jessica verdiente Respekt. Ihr Mut, ihre Lebendigkeit und ihr Humor waren bewundernswert. Sie faszinierte ihn immer wieder von Neuem, und das konnte nur eins bedeuten: Er hatte sich innerlich nicht so sehr von ihr distanziert, wie er geglaubt hatte.
„Ich wünschte, ich könnte länger hierbleiben“, gab sie zu.
„Dann tut es dir eigentlich gar nicht so leid, dass
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