Verfuehrung im Harem
sind, offen miteinander zu reden“, erklärte sie.
„Und das heißt?“
„Ich wollte eigentlich nicht erwähnen, dass ich noch nie mit einem Mann geschlafen hatte. Ich dachte, dass sei allein meine Sache. Trotzdem reden wir jetzt darüber.“
„Nein, jedenfalls nicht richtig. Du hast mir noch nicht verraten, warum du mir die Ehre hast zuteil werden lassen, der Erste für dich zu sein.“
„Die Ehre? Was für eine seltsame Ausdrucksweise.“ Sie wandte sich ab und hängte das Badetuch über den Türgriff. „Doch egal, du wechselst das Thema. Warum hast du beim Anblick der Babys das Krankenhaus fluchtartig verlassen?“
Sekundenlang schloss er die Augen und öffnete sie wieder, als Jessica ihm die Hand auf den Arm legte.
„Welche Erinnerungen verbinden sich für dich mit dem Anblick kleiner Kinder?“, fragte sie.
„Keine …“
„Du musst darüber reden, Kardahl“, sagte sie eindringlich.
„Warum? Was bringt es, über etwas zu sprechen, was nicht mehr zu ändern ist?“
„Natürlich kannst du nicht ungeschehen machen, was passiert ist“, stimmte sie ihm zu. „Wenn du aber nicht bereit bist, über deinen Schmerz zu reden und dich damit auseinanderzusetzen, wird der innere Druck so groß, dass du daran zerbrechen kannst. Lass alles heraus, und du wirst sehen, dass Heilung möglich ist.“
„Ein so tiefer Schmerz kann nicht geheilt werden“, meinte er.
„Das kannst du erst wissen, wenn du es versucht hast“, erwiderte sie.
Er drehte sich um, stellte sich ans Fenster und beobachtete, wie die Sonne über dem Berggipfel aufging. „Antonia war schwanger“, sagte er schließlich leise.
Sekundenlang herrschte verblüfftes Schweigen. „Sie erwartete dein Kind?“, vergewisserte Jessica sich dann.
„Ja.“
„Wussten es deine Eltern?“, fragte sie.
Er schüttelte den Kopf. „Ich wollte es ihnen sagen, aber dazu kam es nicht mehr.“
„Oh nein! Du hast nicht nur die Frau verloren, die deine große Liebe war, sondern auch euer gemeinsames Kind.“
„Sie war im vierten Monat schwanger.“ Kardahl erinnerte sich gut daran, wie er die Hand auf ihren Bauch gelegt und die ersten Veränderungen ihres Körpers gespürt hatte. „Auf das Kind habe ich mich gefreut. Kurz vor dem schrecklichen Unfall hatten wir beschlossen, möglichst bald zu heiraten.“
„Das heißt, du warst bereit, mit der Tradition zu brechen“, stellte sie fest, und in ihrer Stimme schwang tiefes Mitgefühl.
„Ja“, gab er zu und sah sie wieder an. „Nachdem ich beide verloren hatte, habe ich mir vorgenommen, nie wieder jemanden zu lieben oder überhaupt etwas zu empfinden.“
Das war ihm auch gut gelungen – bis er Jessica begegnete. Sie hatte ihn dazu gebracht, wieder Gefühle zu haben. Aber er beabsichtigte nicht, sich wieder auf etwas einzulassen, was am Ende doch nur Schmerz und Kummer brachte.
„Kardahl, mir fehlen die Worte. Es tut mir unendlich leid.“
„Es ist Vergangenheit.“
„Das kannst du natürlich behaupten, aber du belügst dich selbst, wenn du so tust, als hättest du es überwunden. Deine Miene und dein schmerzerfüllter Blick, als du die Babys gesehen hast …“ Sie verstummte und presste sich die Hand auf die Brust. „Es hat mir fast das Herz gebrochen. Und als du plötzlich die Flucht ergriffen hast, hatte ich wirklich Angst um dich.“
„Ich wollte dich nicht beunruhigen.“
„Nein, das ist mir klar. Ich habe mir einfach Sorgen um dich gemacht.“
Als sie ihn berührte, wich er zurück, weil er sie sonst in die Arme genommen und an sich gepresst hätte. In der ver gangenen Nacht hatte er in ihren Armen so viel Trost gefunden wie bei keiner anderen Frau zuvor. Jessica brachte ihn dazu, sein Versprechen zu vergessen und seinen Gefühlen freien Lauf zu lassen. Je schneller sie ihre eigenen Angelegenheiten hier regelte, desto rascher würde sie in die USA zurückkehren. Und das war für sie beide die beste Lösung.
Dummerweise konnten sie jetzt, nachdem sie miteinander geschlafen hatten, die Ehe nicht mehr annullieren lassen, sondern würden sich scheiden lassen müssen. „Ich glaube, wir haben ein Problem und müssen überlegen, wie wir vorgehen wollen, nachdem wir die Ehe vollzogen haben.“
„Ja“, stimmte sie ihm zu.
„Dann ist dir bewusst, dass wir sie nicht mehr einfach annullieren lassen können?“, fuhr er fort.
Mit großen Augen sah sie ihn an. „Oh, daran habe ich gar nicht gedacht.“
Bis jetzt hatte er auch nicht darüber nachgedacht, und er war froh, dass er
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