Verfuehrung im Mondlicht
hervortraten. Stoner kennt mich einfach zu gut, dachte er. »Ich möchte das so ausdrücken: Ich will ihr nicht das Gefühl geben, sie müsste mich heiraten, um ihren untadeligen Ruf zu wahren!«
»Ah, jetzt verstehe ich.« Stoner lächelte und senkte den Kopf. »Du wendest die Strategie des Umweges an.«
»Wohl eher die Taktik der Sackgasse.«
»Aber wenn Miss Glade dich nun getreu ihrer unkonven-tionellen, modernen Prinzipien niemals bittet, sie zu heiraten? Du hast doch nicht vor, eine heimliche Affäre mit einer Lehrerin aufrechtzuerhalten? Nicht unbegrenzt, meine ich?«
»Ich werde Miss Glade so akzeptieren, wie ich sie bekommen kann. Und damit ist dieses Thema erschöpfend behandelt.« Ambrose nahm ein Blatt Papier aus der mittleren Schublade des Schreibtisches. »Ich wollte heute Morgen eigentlich nicht das Thema meiner bevorstehenden oder nicht bevorstehenden Vermählung mit dir besprechen. Ich hätte stattdessen gern deinen Rat in einer anderen Angelegenheit eingeholt.«
Einen Moment schien Stoner protestieren zu wollen, doch dann zuckte er nur mit den Schultern. »Wie du meinst. Wie kann ich dir behilflich sein?«
Ambrose überflog kurz seine Notizen. »Etwas an diesem ganzen Fall kommt mir ...«, er suchte nach dem richtigen Wort, »unerledigt vor.«
»Du meinst, es sind noch ein oder zwei Fragen unbeantwortet geblieben?«
»Ja. Es könnte unmöglich sein, Antworten darauf zu finden, weil Larkin und Trimley tot sind. Trotzdem will ich es versuchen.«
Stoner machte es sich in dem Sessel gemütlich. »Und was bereitet dir noch Kopfzerbrechen?«
Ambrose blickte von seinen Notizen hoch. »Die Frage, die ich mir immer und immer wieder stelle, lautet: Was genau hatten Larkin und Trimley eigentlich mit Hannah, Phoebe, Edwina und Theodora vor?«
Stoner zog die silbergrauen Augenbrauen zusammen. »Sagtest du nicht, dass sie die Mädchen als exklusive Kurtisanen auf einer Auktion verkaufen wollten?«
»Zu diesem Schluss kamen Concordia und ihre Vorgängerin, Miss Bartlett, und er entbehrt zugegebenermaßen auch nicht einer gewissen Logik. Mich stört nur, dass Larkin bereits verschiedene Bordelle unterhielt, von denen zwei einer exklusiven Klientel Vorbehalten sind. Soweit Felix weiß, hat sich Larkin allerdings schon seit Jahren nicht mehr damit abgegeben, diese Etablissements selbst zu führen. Solange sie genügend Geld für ihn abwarfen, hielt er sich im Hintergrund. Er betrachtete sich sozusagen als Investor, nicht als Zuhälter.«
»Worauf willst du hinaus?«
Ambrose lehnte sich auf seinem Stuhl zurück. »Ich will darauf hinaus, dass er offenbar ein sehr untypisches persönliches Interesse an diesem Plan gezeigt hat, den er und Trimley mit den vier Mädchen hatten. Ich frage mich, warum er das getan hat, wenn es allen Berichten zufolge nicht seine Art war, sich selbst um seine kriminellen Geschäfte zu kümmern?«
»Vielleicht dachte er, der mögliche Gewinn würde seine persönliche Beteiligung an diesem Plan rechtfertigen.«
»Möglich«, räumte Ambrose ein. »Aber es gibt noch andere Aspekte an diesem Fall, die mich neugierig machen. Zum Beispiel die relativ hohe Zahl von Morden, die dabei begangen wurden. Es ist zwar richtig, dass Larkin rücksichtslos war und sicherlich nicht gezögert hat, jemanden auszuschalten, der seiner Meinung nach sein Imperium bedrohte, aber er hat sich nicht so weit in seinen Kreisen hochgearbeitet, indem er Felix sozusagen einen Berg von Leichen vor die Tür gelegt hat. Jedenfalls hat er nicht wahllos Menschen ermordet, die man gemeinhin zu den ehrbaren Bürgern zählte.«
»Ich verstehe, worauf du hinauswillst.« Stoner wirkte nachdenklich. »Er wusste genau, dass er mit einem Mord an einer Frau wie Nellie Taylor ohne Schwierigkeiten davonkommen würde. Aber er hätte weit mehr gezögert, Leute wie Miss Bartlett, Mrs. Jervis und Cuthbert zu ermorden, weil das möglicherweise die Aufmerksamkeit von Scotland Yard hätte erregen können.«
»Zugegeben, Trimley und er wären mit diesen Morden beinahe davongekommen. Trotzdem passen diese drei Morde nicht zu dem, was Felix mir im Lauf der Jahre über Larkins Methoden erzählt hat.«
»Vielleicht lag das ja an Trimleys Einfluss.« Stoner verzog angewidert den Mund. »Der war neu im Geschäft des Gewaltverbrechens und hat es vielleicht genossen, diese Art von Macht auszuüben.«
Ambrose beugte sich vor. »Zufällig zielt meine dritte unbeantwortete Frage genau auf Trimleys Rolle in dieser Affäre. Warum hat Larkin
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