Verfuehrung im Mondlicht
die unselige Richtung, die das Gespräch zu nehmen drohte.
Da Concordia das Desaster kommen fühlte, riss sie sich zusammen und beschloss, selbst schleunigst das Thema zu wechseln.
»Offenbar hat sich ein Streuner in den Garten verirrt und ist in das Gewächshaus eingedrungen«, verkündete sie gewollt unbeschwert. »Und damit dürfte dieses Thema wohl hinlänglich geklärt sein. Hannah, fühlst du dich nicht gut? Hattest du gestern Nacht wieder einen Albtraum?«
»Nein, Miss Glade.« Hannah richtete sich hastig auf ihrem Stuhl auf. »Ich habe nur gerade an etwas gedacht, das ist alles.«
Concordia stellte diese Antwort nicht so ganz zufrieden, aber sie ließ es dabei bewenden. Der Frühstückstisch war nicht der geeignete Ort, um das Mädchen einer peinlicheren Befragung zu unterziehen.
»Da die Gefahr vorüber ist, würde ich die Mädchen gern an die frische Luft führen, damit sie ein wenig Bewegung bekommen«, erklärte sie. »Sie waren schon viel zu lange im Haus eingesperrt. Der Garten ist zwar sehr schön, aber nicht groß genug für einen belebenden Spaziergang.«
Edwina strahlte. »Können wir einkaufen gehen, Miss Glade? Das wäre wunderbar belebend.«
»Ich möchte ins Museum«, widersprach Phoebe. »Es ist äußerst gesund und der Leibesertüchtigung förderlich, durch ein Museum zu spazieren.«
»Ich möchte lieber in eine belebende Kunstausstellung«, mischte sich Theodora ein.
Hannah stocherte mit der Gabel in ihrem Rührei herum und schwieg.
Ambrose hob seine Teetasse an die Lippen. »Ich glaube, der Park dürfte für heute genügen.« Er sah Concordia an. »Nehmt bitte die Hunde mit. Sie brauchen Auslauf.«
Concordia zuckte erschreckt zusammen. Sein Tonfall machte unmissverständlich klar, dass dies ein Befehl gewesen war, kein Vorschlag. Furcht prickelte kalt über ihren
Rücken. Sie hätte Ambrose gern gefragt, warum er darauf bestand, dass sie die Hunde als Schutz mitnahmen, aber das wagte sie vor den Mädchen nicht.
»Darf ich meine Hose bei dem Spaziergang tragen, Miss Glade?«, fragte Phoebe eifrig.
»Nur, wenn du bereit bist, dich ganz und gar als Junge zu verkleiden und dein Haar unter einer Mütze verbirgst«, erwiderte Concordia. »Ein Mädchen in Jungenkleidern würde nur Aufmerksamkeit erregen. Und das wollen wir vermeiden.«
Phoebe strahlte. »Das mache ich gern, solange ich meine Hose auf der Straße tragen kann.«
»Ich ziehe meinen neuen blauen Straßenmantel an«, verkündete Edwina aufgeregt.
»Ich darf nicht vergessen, meinen Skizzenblock und einen Stift mitzunehmen«, fügte Theodora hinzu. »Es ist schon lange her, dass ich Gelegenheit hatte, eine Landschaft zu skizzieren.«
Hannah ließ die Gabel sinken. »Würdet Ihr erlauben, dass ich auf mein Zimmer gehe? Ich habe keine Lust auf einen Spaziergang.«
Concordia runzelte die Stirn. »Was hast du denn, Liebes? Hast du Kopfschmerzen?«
»Nein. Ich bin nur müde, das ist alles. Ich habe gestern Nacht nicht gut geschlafen.«
»Erlaube mir, dir zu gratulieren, Ambrose.« Stoner setzte sich in einen Lehnstuhl, legte die Fingerspitzen aneinander und betrachtete Ambrose sichtlich befriedigt. »Die jungen Damen haben mich darüber unterrichtet, dass du sehr bald heiraten wirst.«
»Diese Angelegenheit ist noch nicht abschließend geklärt.« Ambrose trat ans Fenster der Bibliothek und schaute in den Garten hinaus. »Ich warte immer noch darauf, dass Miss Glade um meine Hand anhält.«
»Wie bitte?«
»Miss Glade ist eine sehr unkonventionelle Lady. Sie hegt höchst moderne Ansichten über die Beziehung zwischen den Geschlechtern.«
Stoner räusperte sich. »Verzeih mir bitte, aber ich habe dem Gespräch mit den Mädchen entnommen, dass in diesem Fall auch Verführung mit im Spiel war.« Er legte eine Kunstpause ein, bevor erweitersprach. »Ganz zu schweigen von dem unglücklichen Schicksal, welches die Farne gestern Nacht ereilt hat.«
Ambrose drehte sich brüsk herum und ging zum Schreibtisch. »Miss Glade könnte in dieser Angelegenheit sicherlich einiges klarstellen. Ich kann nur hoffen, dass sie irgendwann die Last ihrer Verantwortung in dieser Sache akzeptiert und sich entsprechend ehrenhaft verhält.«
Stoner hob die Brauen. »Die Last ihrer Verantwortung?«
»Allerdings.«
Stoner beobachtete Ambrose eine Weile. »Donnerwetter! Du hast Angst, sie zu fragen, stimmt’s? Weil du fürchtest, dass sie dich abblitzen lässt!«
Ambrose umklammerte die Lehne seines Stuhles, bis seine Knöchel weiß
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