Verfuehrung in aller Unschuld
würdest? Ich gehe packen“, sagte sie, den Blick auf einen Punkt knapp neben seinem Kopf gerichtet. „Ich weiß deine Hilfe zu schätzen, aber ich bleibe lieber nicht in Rom.“
Domenico erstarrte, die Kaffeetasse auf halbem Weg zum Mund.
„Prego?“ Was sollte das heißen, Lucy blieb lieber nicht in Rom?
„Es ist Zeit für mich, nach Hause zu fahren. Das verstehst du sicher.“
Klirrend landete seine Tasse auf der Untertasse. Was, zum Teufel, sollte er verstehen? Er wusste so gut wie Lucy, dass sie kein Zuhause mehr hatte. Ihre geldgierige Stiefmutter hatte Lucys Privatleben für eine Handvoll Geld verkauft.
„Nein, ich verstehe gar nichts. Vielleicht wärst du so nett, es mir zu erklären.“
Wieso wollte sie unbedingt weg? Noch vor wenigen Stunden hatte sie, seufzend vor Lust, in seinen Armen gelegen. Ihm wurde heiß, wenn er nur daran dachte …
Lucy wich seinem Blick aus. „Ich bin Engländerin, Domenico. Ich will zurück nach England.“
„Davon hast du in den letzten Wochen keinen Ton gesagt.“
Sie zuckte mit den Schultern. „Weil mir die Reporter auf den Fersen waren. Du hast mir geholfen, in Deckung zu gehen, und dafür danke ich dir.“
War das etwa alles, was sie beide miteinander verband?
„Seit meiner Entlassung konnte ich meinen Aufenthaltsort noch nicht einen Tag lang frei wählen.“
Beklagte sie sich etwa über ihre Unterbringung? Sie war doch gern mit ihm ins Bett gegangen!
„Hätte ich dich den Reportern überlassen sollen?“, stieß Domenico hervor. Nein, er erwartete keine Dankbarkeit, aber das hatte er nicht verdient. „Es war nur zu deinem Besten.“
„Ja, das weiß ich zu schätzen. Aber jetzt muss ich auf eigenen Füßen stehen.“
Domenico presste die Lippen zusammen. Was Lucy sagte, klang so endgültig. Er hätte sie am liebsten an den Schultern gepackt und ihr verboten zu gehen.
Spürte sie denn nicht, wie heiß das Feuer der Leidenschaft zwischen ihnen brannte? Oder hatte sie nur mitgenommen, was er ihr zu bieten hatte, um ihn dann eiskalt abzuservieren, wenn sie genug von ihm hatte?
Seine Miene verfinsterte sich. Noch nie hatte ihm eine Frau den Laufpass gegeben. Oder ihn so kühl und ohne Bedauern verlassen.
Domenico sprang auf und ging um den Tisch herum, um notfalls ihre Schultern zu umfassen, doch ihre eisige Miene hielt ihn davon ab. Es war die Maske, von der er gedacht hatte, Lucy hätte sie für immer abgelegt.
„Ich bin ein freier Mensch, und es wird Zeit, dass ich mich so verhalte.“
„Die Presse wird hinter dir her sein.“ Sie braucht mich doch, dachte er verzweifelt. Weiß sie das denn nicht?
„Egal. Das wird mich nicht daran hindern, mir einen Job zu suchen. Jetzt gelte ich ja nicht mehr als Mörderin.“
„Du willst arbeiten gehen?“
Lucy warf ihm einen funkelnden Blick zu. „Natürlich, was denn sonst?“
„Du könntest immer noch einen Deal mit den Medien machen. Nachdem du mit mir im Bett warst, bieten sie dir sicher ein schönes Sümmchen für eine Insiderstory.“
Er bereute es, sobald er es ausgesprochen hatte. Ihre Ankündigung zu gehen hatte ihn völlig aus der Fassung gebracht. Er fühlte sich betrogen, wollte nur noch um sich schlagen.
Lucys kalter, distanzierter Blick ließ ihn frösteln. Wie hatte er sich nur einbilden können, sie würde etwas für ihn empfinden?
„Ja, vielleicht mache ich das. Schließlich habe ich ja deinen lächerlichen Vertrag nicht unterzeichnet.“
Zu beobachten, wie sie sich in die harte, abweisende Frau von früher zurückverwandelte, traf Domenico wie ein Schlag. Er wollte sie anflehen, es nicht zu tun, aber ein Volpe bettelte nicht.
„Leb wohl, Domenico.“ Lucy drehte sich um und ging.
10. KAPITEL
Der Herbst kam früh in diesem Jahr. Eisige Windböen fegten durch die Straßen Londons, zerrten an Lucys Secondhandjacke und ließen sie um ihren schmalen Körper flattern.
Die Kälte machte ihr nichts aus. Seit jenem Sommertag in Rom, als Domenico sie hatte gehen lassen, war ihr sowieso ständig kalt.
Mit gesenktem Kopf setzte sie müde einen Fuß vor den anderen. Es war ein langer Tag gewesen, und bevor sie ihre anstrengende Spätschicht antrat, brauchte sie eine kleine Pause. Jobs waren nicht leicht zu bekommen, nicht einmal einer als Kellnerin. Sie konnte es sich nicht leisten, bei der Arbeit nicht fit zu sein.
Ein Tee und zwanzig Minuten lang sitzen und die Füße ausstrecken zu können wäre himmlisch.
Lucy überlegte gerade, ob sie genug Geld hatte, um etwas zu essen, als
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