Verfuehrung in Florenz
Tränen in die Augen schossen.
Der Anblick des ungemachten Betts hatte sich in ihr Gedächtnis eingebrannt, und wahrscheinlich würde sie die Erinnerung an dieses kurze, aber vollkommene Glück nie loswerden.
Am früheren Nachmittag kehrte Raphael endlich in den Palazzo zurück. Auf dem Weg von Catalinas Wohnung hatte er eine Dose englischen Tee gekauft.
Er hatte Catalina wie ein Kind ausziehen und ins Bett bringen müssen. Als er ging, schlief sie tief. Darüber war er froh, denn es hatte ihn all seine Geduld und Kraft gekostet, die weinende Frau von der Bar nach Hause zu bringen. Immer wieder hatte sie aufgeschluchzt und den Namen des toten Mädchens wiederholt – Ellie.
Raphael schloss das Tor des Palazzos und blieb stehen.
So viel Zeit und Geld hatte er in das Notruftelefon gesteckt, um Frauen wie dieser Ellie zu helfen. Catalina behauptete sogar, ihre Freundin hätte die Nummer gehabt. Doch gegen Lucas Skrupellosigkeit war er damit nicht angekommen.
Er hatte bei Catalina gewartet, bis ihre Mutter zurückgekehrt war, und sich mit Signora Di Souza darüber unterhalten, dass Catalina als Zeugin gegen Luca in Frage kam. Zu seiner größten Erleichterung ging sie auf seinen Vorschlag ein. Gemeinsam wollten sie Catalina unterstützen, falls es zum Prozess kam und sie in den Zeugenstand treten musste.
Zum ersten Mal wagte Raphael zu glauben, dass es jetzt nur noch eine Frage der Zeit war. Darum wollte er sich so bald wie möglich mit Marco telefonisch in Verbindung setzen.
Lächelnd lief er die Treppe hinauf. Vielleicht musste der Anruf doch noch eine Weile warten.
Er achtete darauf, die Tür leise zu öffnen. Möglicherweise war Eve ja tatsächlich wie angekündigt im Bett geblieben. Schließlich hatten sie letzte Nacht nicht sonderlich viel geschlafen.
„Eve?“
Sie war nicht da. Das Zimmer war leer, und diese Leere bereitete ihm Unbehagen. Achtlos stellte er die Teedose auf den Tisch und blickte unters Bett, wo er das Gepäck verstaut hatte.
Seine Sachen waren hier. Er zog sie beiseite, doch Eves Tasche war und blieb verschwunden.
Nichts.
Raphael stand auf, blickte sich um, holte das Handy hervor und ging die Liste der gespeicherten Rufnummern durch, bis er den Flughafen Marco Polo fand.
Fünf Minuten später wusste er, dass heute keine Eve Middlemiss einen Flug gebucht hatte. Jetzt atmete er etwas befreiter. Trotzdem ließ er sich seufzend aufs Bett sinken. Wenn sie noch in der Stadt war, hatte sie sich aus unerfindlichen Gründen ein Hotelzimmer genommen. Das bedeutete, dass er eine Menge Anrufe zu erledigen hatte.
Er wollte gerade anfangen, als das Handy klingelte.
„ Pronto !“
„Signor Di Lazaro? Hier ist Roberto. Ich wollte Ihnen nur sagen, dass Signor Luca soeben an Bord des Jets gegangen ist, um nach Florenz zurückzufliegen. Er hat Signorina Middlemiss bei sich.“
Raphael stieß einen Fluch aus. „Sind Sie schon in der Luft?“
„Nein, Signore, aber Signor Luca hat es eilig. Wir werden in wenigen Minuten starten.“
„Danke für den Anruf, Roberto.“
„Keine Ursache, Signore. Sollen wir zurückkommen und Sie holen, sobald wir Signor Luca in Florenz abgesetzt haben?“
„Ja, bitte. Lassen Sie mich wissen, wann Sie hier landen.“
„Natürlich, Signore.“
„Noch etwas, Roberto.“ Raphaels Hand zitterte, als er sich an die Stirn fasste. „Könnten Sie Nico bitten, Signorina Middlemiss im Auge zu behalten? Sie hat Flugangst, vor allem beim Start. Kümmern Sie sich darum.“
Raphael presste die Lippen aufeinander, ließ das Handy auf das ungemachte Bett fallen und trat ans Fenster. Genau hier hatte er gestern gestanden, nachdem sie sich geliebt hatten. Daswarerst vierundzwanzig Stunden her. Wenn er die Augen schloss, sah er es noch genau vor sich. Eve saß in diesem Kleid auf dem Bett, und in ihrem schönen Gesicht zeichneten sich Mitgefühl und Zärtlichkeit ab, als er über den Tod seiner Mutter sprach. In ihren Augen hatte Liebe geschimmert, doch er hatte es nicht gesehen.
Er ballte die Hände zu Fäusten und presste sie gegen die Fensterscheibe. Nein, er musste ehrlich zu sich selbst sein.
Er hatte es gesehen. Er war nur zu verbittert und misstrauisch gewesen, um sich einzugestehen, dass er genauso fühlte. Und er hatte sich eingeredet, Eve wolle nur ihren Job erledigen.
Raphael stöhnte auf, als ihn die Erinnerungen überfielen. Wie lange beurteilte er nun schon alle anderen nach seinen eigenen zynischen und gefühllosen Richtlinien? Er hatte nicht vergessen,
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