Verfuehrung in Florenz
wie sehr er seinen Vater verdammt hatte. Hätte er sie geliebt, dann hätte er sie beschützt …
Er hatte sich in jeder Hinsicht geirrt.
Er liebte Eve, doch das allein reichte nicht, sie zu beschützen. Es verlieh ihm nur die Macht, sie zu verletzen.
Hastig sammelte er seine Sachen ein und warf sie in die Reisetasche. Und er hoffte, dass es noch nicht zu spät war, um sich zu entschuldigen.
In den frühen Morgenstunden jagte Raphael mit seinem Wagen durch die leeren Straßen von Florenz, überfuhr rote Ampeln und bog viel zu schnell mit quietschenden Reifen um die Ecken. Es war ihm gleichgültig, ob er von der Polizei angehalten wurde. Marco würde ihn notfalls schon wieder herausholen.
Als er sich Lucas Wohnung näherte, wurde ihm fast schwindlig vor Aufregung und Schlafmangel. Jeder Muskel in seinem Körper und jeder Nerv war zum Zerreißen angespannt.
Falls Luca es gewagt hatte, Eve auch nur anzufassen …
Während des Rückflugs von Venedig hatte Raphael sich genau überlegt, was er dann tun würde. Und er wäre nicht zimperlich.
Er stellte den Wagen im Halteverbot vor Lucas Wohnhaus ab, klingelte und wartete auf den Hausmeister.
„Raphael Di Lazaro! Ich muss sofort zu meinem Bruder. Unser Vater …“
Der Hausmeister öffnete ohne zu zögern die Tür und ließ Raphael eintreten. Er hatte von Antonios Krankheit in der Zeitung gelesen.
„Danke“, sagte Raphael. „Tut mir leid, ich stehe noch unter Schock. In welcher Wohnung finde ich meinen Bruder?“
„Im Penthouse, Signore.“
Raphael biss die Zähne zusammen. Er hätte sich denken können, dass Luca die beste Wohnung im ganzen Haus gehörte.
Der Aufzug schien für den Weg nach oben Ewigkeiten zu brauchen. In den grün getönten Spiegeln erkannte Raphael sich kaum selbst. Er schien während der letzten zwanzig Stunden, in denen er Eve nicht gesehen hatte, um zwanzig Jahre gealtert zu sein. Bartstoppeln bedeckten Wangen und Kinn, und seine Augen wirkten müde und eingesunken wie bei Catalina. Er trug noch das blaue Hemd, das ihre Tränen aufgesogen hatte, und er erinnerte sich an ihren hageren und erhitzten Körper, als sie sich Trost suchend an ihn klammerte.
Er schickte ein Stoßgebet zum Himmel, dass er Eve hier unversehrt vorfand.
Die Türen des Aufzugs öffneten sich. Auf dem kleinen Korridor gab es nur eine einzige Tür. Als Luca öffnete, stellte Raphael überrascht fest, dass sein Bruder vollständig bekleidet war.
Ein unangenehmes Lächeln erschien auf Lucas Gesicht. „Raphael, wie schön, dass du mich besuchst. Es ist allerdings eine ungewöhnliche Uhrzeit für einen Besuch, meinst du nicht auch?“
Raphael schob ihn kurzerhand zur Seite, betrat die Wohnung und öffnete der Reihe nach verschiedene Türen. „Wo ist sie?“
„Entschuldigung – wer bitte?“
„Eve!“, stieß Raphael hervor und wusste nicht, wie lange er sich noch beherrschen konnte.
„Ach, die reizende Eve! Ich fürchte, du hast sie verpasst.“ Luca sah auf seine Uhr. „Sie wird wohl gerade in Heathrow landen, nehme ich an. Wir waren nur hier, um die Stunden vor ihrem Flug zu überbrücken.“
Sein Lachen ließ Raphael beinahe die Beherrschung verlieren. Süffisant fuhr Luca fort: „Aber ich bin sehr froh, dass wir das getan haben. Ich sollte mich eigentlich bei dir bedanken, großer Bruder. Du hast sie großartig eingeführt.“
Raphael wurde kreidebleich. „Ich glaube dir nicht.“
„Was denn? Dass sie nach London zurückfliegt?“, fragte Luca betont unschuldig. „Möchtest du bei der Fluglinie anrufen? Ich erinnere mich zwar nicht mehr an die Flugnummer, aber …“
„Ich werde überprüfen, ob sie geflogen ist, das kannst du mir glauben. Allerdings gestehe ich dir zu, dass du in diesem Punkt ausnahmsweise die Wahrheit gesagt haben könntest.“
„Ach, du glaubst also nur nicht, dass Eve ihre neu gewonnenen Fähigkeiten an mir erprobt hat?“ Luca sah aus wie ein Magier, der gleich vor einem staunenden Publikum ein Kaninchen aus dem Hut ziehen würde. „Nun, da du die ganze Vorarbeit geleistet hast, verdienst du auch, die Fotos zu sehen.“
Einen Moment glaubte Raphael tatsächlich, das Bewusstsein zu verlieren, als Luca ihm fünf oder sechs Fotos einer Blondine zeigte. Auf dem obersten lag sie auf einem Bett und war nackt, abgesehen von schwarzen Strümpfen und hochhackigen Schuhen.
Es war Eve.
„Die Bilder reichen in der Qualität natürlich nicht an deine heran, aber sie sind doch recht nett und …“
Einen Moment lang rang
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