Verfuehrung in Florenz
normal, nachdem soeben ihre Welt eingestürzt war?
Nach einer Weile zwang sie heftiges Seitenstechen, stehen zu bleiben. Sie ließ sich auf die Stufen eines Hauseingangs sinken und schluchzte verzweifelt.
Kein Wunder, dass Raphael am Morgen verschlossen gewirkt hatte. Und ebenfalls kein Wunder, dass er sich nicht festlegen wollte, wann er zurückkommen würde. Die Erinnerung schmerzte. Es kann schnell gehen oder den ganzen Tag dauern. So ungefähr hatte er sich ausgedrückt. Diese Frau war sicher eine alte Flamme, die er wieder zum Brennen bringen wollte, und er hatte nicht gewusst, wie schnell er sie herumkriegen würde.
Nun, offenbar hatte er Glück. Danach zu urteilen, wie er sich über den Tisch gebeugt und die Frau geküsst hatte, dauerte es sicher lange, bis er in den Palazzo zurückkehrte.
Was war sie doch dumm gewesen! Unglaublich dumm und naiv! Vom ersten Blick an, den Raphael und sie gewechselt hatten, hatte sie geglaubt, die Gefühle zwischen ihnen wären außergewöhnlich. Etwas ganz Besonderes.
Dieser Gefühle wegen hatte sie sogar ihre ursprüngliche Mission vernachlässigt. Und als sie gestern Abend herausgefunden hatte, dass er am Tod ihrer Schwester unschuldig war, war sie glücklich gewesen.
Nun, vielleicht war er kein elender Drogenhändler, aber er war ein hinterhältiger Lügner. Schlimmer als jetzt konnte sie sich gar nicht mehr fühlen.
„Eve? Eve, cara, ich dachte schon, dass Sie das sind. Tesoro, was ist denn los?“
„Luca! Oh Luca, wie haben Sie mich …“
„Mein Hotel ist gleich da drüben. Bambina, verraten Sie mir doch, warum Sie so verzweifelt aussehen!“
Im nächsten Moment hielt Luca sie in den Armen, und sie weinte sich an seiner Schulter aus. Er roch nach Zigarettenrauch und Alkohol und nicht so frisch und verlockend wie Raphael, doch sie kannte ihn, und er war hier, und dafür war sie grenzenlos dankbar.
Behutsam schob er sie ein Stück von sich und betrachtete ihr Gesicht. „Schsch, cara, ganz ruhig. Es ist Raphael, nicht wahr?“
Sie nickte benommen.
„Ist er verletzt?“
Lucas Augen funkelten, und er rüttelte sie leicht und wiederholte die Frage. Eve rang bebend nach Luft und schüttelte erneut den Kopf.
„Ich habe ihn mit … mit einer … anderen Frau gesehen. In einer Bar. Er war …“ Die Tränen schossen ihr erneut in die Augen, und sie konnte nicht weitersprechen.
Luca reichte ihr ein Taschentuch. Nachdem sie sich die Tränen abgewischt hatte, versuchte sie, ruhig zu bleiben. „Die beiden haben sich an den Händen gehalten, und er hat sie geküsst.“
Luca stieß einen leisen Pfiff aus. „Wie hat diese Frau denn ausgesehen?“
Eve zuckte hilflos mit den Schultern. „Langes dunkles Haar, sehr schlank … ich weiß nicht … irgendwie zerbrechlich … wie eine magersüchtige Ausgabe von Alessandra.“
„Catalina“, sagte Luca und hörte sich seltsamerweise sehr zufrieden an.
„Sie kennen die Frau?“, rief Eve.
„Ja. Sie hatte eine heftige Affäre mit Raphael, als sie vor einigen Jahren als Model für Lazaro arbeitete. Aber, cara “, fuhr er beschwichtigend fort, als Eve wieder zu schluchzen begann, „das ist schon lange zu Ende. Ich kann mir absolut nicht vorstellen, dass Raphael sie jetzt wiederhaben will.“
„Warum nicht?“, fragte Eve erstickt. Lucas Ton gefiel ihr nicht.
„Weil sie beschädigte Ware ist, cara. Alkohol, Drogen und Ausschweifungen haben ihre Spuren hinterlassen. Glauben Sie mir, ich weiß Bescheid. Sie hat eindeutig den jugendlichen Glanz verloren.“ Er lächelte geringschätzig und strich mit dem Zeigefinger über Eves Wange. „Ganz im Gegensatz zu Ihnen, carina. Kommen Sie, ich weiß, wo Catalina wohnt. Wir gehen hin und …“
„Nein, das kann ich nicht! Ich will die beiden nicht sehen!“
„Beruhigen Sie sich, bambina, beruhigen Sie sich. Sie ziehen voreilige Schlüsse. Wir gehen hin, und ich wette, dass Catalina allein sein wird. Sie lernen sie kennen und können sich mit eigenen Augen davon überzeugen, dass es so ist, wie ich vorhin sagte. Dann kehren Sie zu Raphael zurück, geben ihm einen Kuss und sagen ihm, wie albern Sie waren. Einverstanden?“
Eve trocknete die Wangen mit dem Taschentuch und verspürte wieder einen Funken Hoffnung. Vielleicht war sie wirklich albern, wie Luca sagte.
„Einverstanden.“
„ Bene. Gehen wir.“
„Wir sind fast da, cara. Catalina wohnt dort drüben im ersten Stock.“
Eve folgte der Richtung von Lucas Blick. Wie viele Gebäude in Venedig war auch dieses
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