Verführung in Manhattan
gelegentlich war rollender Donner zu hören.
Das trübe Wetter war Sydney ganz recht. Sie kam sich wie eine ungehorsame Schülerin vor, die ins Zimmer des Direktors gerufen worden war.
Aufmerksam betrachtete sie die Gesichter. Einige der hier Versammelten hatten schon bei Hayward gearbeitet, da war sie noch gar nicht auf der Welt gewesen. Sie waren vermutlich am schwersten zu besänftigen, da sie immer noch das kleine Mädchen in ihr sahen, das auf den Knien des Großvaters gespielt hatte.
Etwa in der Mitte saß Lloyd mit einer so selbstgefälligen Miene, dass sie ihm am liebsten ins Gesicht geschlagen hätte. Nein, dachte sie entschlossen, das wäre keine Lösung. Ich will gewinnen.
„Meine Damen und Herren“, begann sie und stand auf. „Bevor wir in die Diskussion über den Vorfall eintreten, möchte ich eine Erklärung abgeben.“
„Sie haben Ihre Erklärung bereits gegenüber der Presse abgegeben, Sydney“, stellte Lloyd fest. „Ich glaube, alle kennen Ihre Position.“
Einige Anwesende murmelten zustimmend, andere deuteten ihr Missfallen an. Sydney wartete einen Moment, bevor sie weitersprach.
„Als Vorstandsvorsitzende und Hauptaktionärin von Hayward werde ich zunächst meinen Standpunkt darlegen, anschließend können wir darüber diskutieren.“
Ihr Hals schnürte sich zusammen, denn alle Blicke richteten sich auf sie. Manche waren geduldig, einige nachsichtig, andere eher misstrauisch.
„Wie man mir sagte, hegt der Vorstand Bedenken wegen der Höhe der Summe, die ich für unser Apartmenthaus in Soho bereitgestellt habe. Das Gebäude erwirtschaftet zwar nur einen relativ geringen Anteil an unserem Firmengewinn, dafür ist uns die Summe aber sicher. Während der letzten zehn Jahre waren dort kaum Reparaturen erforderlich. Zumindest sind keine vorgenommen worden, sollte ich wohl lieber sagen. Den vierteljährlichen Berichten haben Sie zweifellos entnommen, um wie viel der Wert der Immobilien in diesem Zeitraum gestiegen ist. Schon vom rein wirtschaftlichen Standpunkt meine ich daher, dass die von mir gebilligte Summe der Sicherung dieses Eigentums dient.“
Sie hätte gern eine kurze Pause eingelegt und einen Schluck Wasser getrunken. Aber das sähe aus, als wäre sie nervös. Deshalb fuhr sie fort.
„Darüber hinaus stehe ich auf dem Standpunkt, dass die Firma Hayward die moralische, sittliche und juristische Pflicht hat, die Wohnungen ihrer Mieter in einem ordentlichen und sicheren Zustand zu halten.“
„Das Gebäude hätte mit der halben Summe entsprechend renoviert werden können“, warf Lloyd ein.
Sydney sah ihn kurz an. „Das ist richtig. Mein Großvater wünschte jedoch mehr als nur das unbedingt Erforderliche. Er wollte stets das Beste für seine Mieter. Und ich ebenfalls. Ich werde Sie hier nicht mit Zahlen langweilen. Die finden Sie in Ihren Unterlagen, und wir können anschließend darüber diskutieren. Ja, die benötigte Summe für das Soho-Gebäude ist hoch, denn die Maßstäbe von Hayward sind es ebenfalls.“
„Sydney“, antwortete Howard Keller, einer der ältesten Mitarbeiter ihres Großvaters, „niemand bezweifelt Ihre Motive oder Ihren Einsatz. Wir müssen jedoch über Ihr Urteilsvermögen in dieser und der Wolburg-Angelegenheit reden. Die Reaktion der Öffentlichkeit hat uns erheblich geschadet. Unsere Aktien sind gefallen. Hinzu kommt der Verlust, den wir erlitten haben, als Sie die Firmenleitung übernahmen. Die Aktionäre sind verständlicherweise besorgt.“
„Bei der Wolburg-Angelegenheit“, erklärte Sydney mit fester Stimme, „handelt es sich um eine achtzigjährige Frau, die sich die Hüfte gebrochen hat. Sie stürzte, weil der Boden in ihrer Küche schadhaft war und wir die erforderliche Reparatur versäumt hatten.“
„Genau wegen dieser unbedachten Erklärung werden jetzt zahllose Schadensersatzklagen auf Hayward Enterprises zukommen“, warf Lloyd ein. Er sprach ruhig und besonnen. „Derartige Entscheidungen dürfenerst nach sorgfältiger Prüfung seitens der Versicherung und der Rechtsabteilung getroffen werden. Wo kämen wir hin, wenn unsere Firma emotional oder impulsiv geführt würde? Miss Hayward mag das Schicksal der alten Mrs. Wolburg sehr zu Herzen gegangen sein. Aber es gibt gewisse Verfahren und Instanzenwege, die eingehalten werden müssen. Inzwischen hat sich die Presse des Themas angenommen und …“
„Ja“, unterbrach Sydney ihn. „Es ist sehr interessant, wie rasch die Presse von dem Unfall erfahren hat. Kaum zu glauben,
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