Verführung in Manhattan
etwas Neues zum Anziehen brauchte.
Die kurze Goldkette und die Goldkreolen in ihren Ohren waren von unauffälliger Eleganz. Außerdem hatte sie mehr Zeit als sonst für ihr Make-up benötigt, weil sie einige neue Lidschatten ausprobieren wollte.
Nach längerer Überlegung hatte sie ihr Haar offen gelassen. Allerdings hatte es eine ganze Weile gedauert, bis ihr die Frisur gefiel: zwanglos und auch sexy.
Zwar wollte Sydney heute Abend nicht aufreizenderscheinen, aber ein bisschen Eitelkeit durfte sich eine Frau ruhig erlauben.
Einen Moment zögerte sie, bevor sie zu dem Kristallflakon mit ihrem Parfüm griff, denn sie erinnerte sich, wie Mikhail den Duft beschrieben hatte. Dann tat sie ein wenig auf den Puls. Natürlich war es nicht wichtig, ob ihm das Parfüm gefiel. Sie trug es für sich.
Zufrieden überprüfte sie den Inhalt ihrer Handtasche und sah auf die Uhr. Sie hatte noch eine ganze Stunde Zeit. Erleichtert atmete sie auf und setzte sich auf das Bett. Zum ersten Mal in ihrem Leben sehnte sie sich heftig nach einem Drink.
Eineinviertel Stunden später läutete es an ihrer Tür. Sydney war inzwischen pausenlos in der Wohnung auf und ab gelaufen, hatte die Kissen aufgeschüttelt und die kleine Skulptur aufgehoben und wieder an ihren Platz gestellt.
Sie stürzte auf den Flur und stellte fest, dass sie ihr Haar wieder richten musste. Äußerlich gefasst, öffnete sie schließlich.
Mikhail schien sich keine besonderen Gedanken über seine Kleidung gemacht zu haben. Seine Jeans waren sauber, aber verblichen, und seine Schuhe kaum weniger alt als die Arbeitsstiefel, die er normalerweise trug. Sein Hemd war aus Baumwolle, die rauchblaueFarbe harmonierte mit der von Sydneys Kleid. Sein schwarzes Haar fiel so ungebändigt über den Kragen, dass jede Frau davon geträumt hätte, ihre Finger hineinzuschieben.
Er wirkte äußerst sinnlich, ein bisschen verwegen und nicht gerade ungefährlich.
Und er hatte ihr eine Tulpe mitgebracht.
„Ich komme zu spät.“ Er hielt ihr die Blüte hin und überlegte, dass Sydney ebenso kühl und köstlich wirkte wie ein Eissorbet in einer Kristallschale. „Ich habe noch an Ihrem Gesicht gearbeitet.“
„Was haben Sie getan?“
„An Ihrem Gesicht gearbeitet.“ Er legte die Hand unter ihr Kinn. „Ich hatte das richtige Rosenholz gefunden und anschließend völlig die Zeit vergessen.“ Er betrachtete Sydney aufmerksam und strich mit den Fingern über ihr Gesicht, als suche er nach einer Antwort auf ungestellte Fragen. „Darf ich hereinkommen?“
„Natürlich“, stotterte sie verwirrt. „Es dauert nur eine Minute.“ Sie trat einen Schritt zurück, um sich von Mikhail zu lösen. „Ich möchte die Tulpe rasch ins Wasser stellen.“
Während sie in die Küche ging, ließ er den Blick durch den Raum gleiten. Das Zimmer gefiel ihm. Es war längst nicht so durchgestylt, wie man es bei einerFrau wie ihr erwartet hätte. Hier, in dieser gemütlichen Atmosphäre aus warmen Farben, lebte Sydney wirklich. Die antiken Möbel wurden durch Einzelstücke im Jugendstil ergänzt. Der Bronzefuß einer Lampe bestand aus dem Körper einer großen schlanken Frau, und die Glastüren einer Sammelvitrine, hinter denen sich eine Reihe antiker Perlentäschchen befand, waren mit rankenden Blumen verziert.
Seine Statuette stand allein in einem hübschen alten Fach, wie er geschmeichelt feststellte.
Sydney kehrte zurück und brachte die Tulpe in einer schlanken Silbervase herein.
„Ich bewundere Ihren Geschmack.“
Sie stellte die Vase auf die Vitrine. „Danke.“
„Jugendstil ist sehr sinnlich.“ Mit dem Finger zog er eine Blüte der Lampe nach. „Und rebellisch.“
Sydney wunderte sich über diese Beschreibung. „Ich finde ihn reizvoll und anmutig.“
„Anmutig, ja. Aber auch kraftvoll.“
Ihr gefiel die Art und Weise nicht, wie er sie anlächelte. Als wüsste er ein Geheimnis, das sie nicht kannte. „Nun … ja. Als Künstler stimmen Sie mir sicher zu, dass Kunst kraftvoll sein sollte. Möchten Sie einen Drink, bevor wir gehen?“
„Nein, ich muss noch fahren.“
„Fahren?“
„Ja. Mögen Sie Sonntagsausflüge, Sydney?“
„Ich …“ Sie nahm ihre Tasche, um ihre Hände zu beschäftigen. Sie wollte sich auf keinen Fall wie ein Teenager beim ersten Rendezvous in Verlegenheit bringen lassen. „In der Stadt habe ich nicht oft Gelegenheit dazu.“ Es war besser, wenn sie losfuhren. Daher ging sie zur Tür und fragte sich, wie es war, mit ihm allein in einem Auto zu sein.
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