Verfuehrung unterm Silbermond
einzige Frau auf der Welt für ihn.
Das war in der Nacht, spottete eine kleine Stimme in ihrem Hinterkopf. In der Dunkelheit hast du auch seine Augen nicht sehen können, oder? Du hast nur seinen Körper gefühlt und die Worte gehört, die er gemurmelt hat. Wahrscheinlich benutzt er die jedes Mal, wenn er mit einer Frau im Bett liegt. Wie kommst du darauf, du seiest etwas Besonderes, Natasha?
Hastig stellte sie die Kaffeetasse, die er ihr reichte, auf den Nachttisch. Er musste nicht sehen, wie ihre Hand plötzlich zitterte.
„Ich lasse dich jetzt allein, damit du dich anziehen kannst.“
„Gut.“
Er trat vom Bett zurück, fort von dem lockenden Anblick ihres Gesichts, die Wangen noch rosig vom Schlaf. „Wir werden mit Zahid und Francesca auf der Terrasse frühstücken. Den Weg dorthin findest du doch inzwischen sicher allein, oder?“
Scheinbar konnte er nicht schnell genug von ihr wegkommen! „Ich glaube, das werde ich wohl schaffen“, erwiderte sie mit einem Lächeln. Sie würde ihn nicht sehen lassen, wie verletzt und wütend sie war. Wütend war sie vor allem auf sich selbst. Weil sie zuließ, dass sie sich verletzt fühlte. Raffaele hatte ihr nichts versprochen außer einem Wochenende in Marrakesch und großartigen Sex. Und das Versprechen hatte er eingelöst.
Sie wartete, bis er gegangen war, bevor sie ihren Kaffee trank und sich überlegte, wie sie am besten vorgehen sollte. Jetzt, da sie wieder nach England zurückkehrten, arbeitete Raffaele schon hart daran, die Grenzen zu ziehen. Ganz offensichtlich hielt er diese ganze Bettepisode für einen großen Fehler. Was Natasha mit mehreren Möglichkeiten zurückließ: Sie konnte ihn verführen.
Sie konnte ihn anflehen, mit ihr zu schlafen.
Oder sie konnte sich auf ihren Stolz berufen und ihre Würde wahren, indem sie so tat, als hätte es keine Bedeutung gehabt.
Auch wenn ihr Herz dann in Tausend Scherben zerbrechen würde.
Eigentlich war die Wahl bereits gefallen.
Natasha duschte und machte sich mit besonderer Sorgfalt zurecht. Make-up, so stellte sie dabei fest, hatte noch eine andere Funktion, als nur das Aussehen einer Frau vorteilhaft zu unterstreichen. Es konnte auch eine Maske sein, hinter der man seine wahre Gemütsverfassung versteckte.
Sie wählte ein langes weißes Seidenkleid, der schmale Gürtel um ihre Taille das einzige Accessoire. Das Haar steckte sie sich zu einem Knoten auf – schlicht und unkompliziert und somit das genaue Gegenteil zu dem Gefühlswirrwarr, das sie in sich verspürte.
Sie war nervös, als sie zur Dachterrasse hinaufstieg und sich fragte, was der Tag wohl für sie bringen mochte.
Die beiden Männer waren allein. In ein Gespräch vertieft, standen sie an der Balustrade und schauten auf die Stadt hinunter. Als sie sich zu ihr umdrehten, meinte Natasha so etwas wie Schuldgefühl auf ihren Mienen zu entdecken. Und tadelte sich gleich darauf stumm. Litt sie jetzt schon unter Verfolgungswahn?
Zahid jedoch konnte wirklich charmant sein, wenn er wollte. Fast machte er damit die distanzierte Haltung Raffaeles wett. Er verbeugte sich vor ihr, als sei sie die Fürstin, und rief mit einem Händeklatschen die Diener herbei, die eilfertig Obst, süßes Brot und Kaffee auftrugen.
Erschrocken wurde Natasha sich bewusst, wie leicht man sich doch an ein solches Leben gewöhnen konnte.
„Wo ist Francesca?“, fragte sie.
„In ihrem Zimmer. Leider wird sie uns heute nicht mit ihrer Gesellschaft beehren“, antwortete Zahid formgewandt.
„Oh.“ Natasha sah zu Raffaele hinüber, aber seine dunklen Augen blickten ausdruckslos wie die einer Statue. „Das ist schade.“
„Das ist es, in der Tat“, bestätigte Zahid kühl. „Doch sie bat mich, ihre besten Wünsche für eine gute Reise auszurichten. Ich habe Raffaele bereits gesagt, er muss Sie wieder in unser Land bringen, wann immer Sie es wünschen.“
„Ich denke, Natasha hat vorerst genug von langen Reisen, nicht wahr, cara ?“
Fast hätte sie sich an einer Nuss verschluckt. Immerhin hielt das Kauen sie davon ab, ihre Wut zu deutlich zu zeigen. Wie konnte er es wagen! Wie konnte Raffaele es wagen, sie zu behandeln, als sei sie ein lebloses Spielzeug, das man nach Belieben benutzen und wieder weglegen konnte! Meinte er, sie hätte keine Gefühle? Oder fürchtete er, sie würde schon die Zwei-Wochen-Pauschalreise mit ihm buchen wollen?
Ihr Stolz gewann im Kampf mit ihrer Wut die Oberhand. Und er war es auch, der es Natasha ermöglichte, Zahid mit einem
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