Verfuehrung unterm Silbermond
nirgendwo hatten sie anstehen müssen! Aber mit seinen fließenden Gewändern hatte Zahid sich völlig unauffällig in die Szenerie der exotischen Stadt eingereiht. Natasha fragte sich, was wohl der normale Tourist sagen würde, wüsste er, dass er soeben an einem echten Scheich vorbeigelaufen war.
Tanzende Derwische und Schlangenbeschwörer hatten die Hintergrundmusik geliefert, als sie den El Badi-Palast und die Gräber der Saadi-Dynastie bewunderten, die Souks und die üppigen Gärten und Parks, die überall in der Stadt zu finden waren. Marrakesch war ein Ort, an dem Gerüche, Geräusche und Farben zu einer exotischen Mischung zusammenflossen, wo die afrikanische und die arabische Kultur aufeinandertrafen, vor der Kulisse der schneebedeckten Bergkuppen des Atlas-Gebirges.
Nach dem Lunch gingen sie dann zurück zu ihrer Unterkunft, wo Natasha und Raffaele sich zu einer Ruhestunde zurückzogen. Es lag etwas wunderbar Dekadentes darin, den Nachmittag im Bett zu verbringen. Und nicht nur im Bett. Auch Kissen und Diwane hatten sie eingeladen, dem Verlangen ihrer erhitzten Körper nachzugeben.
Unter Raffaeles meisterhafter Anleitung hatte Natasha ihre anfängliche Scheu verloren. Sie blühte unter den Liebkosungen ihres erfahrenen Liebhabers auf und fühlte sich frei, ihn zu berühren, wie sie es sich gewünscht hatte, praktisch seit sie ihn kannte.
Ein unbeschreibliches Entzücken empfand sie, wenn seine harten Züge bei ihren Küssen weich wurden. Und zu sehen, wie er sich in dem einen, höchsten Moment verlor … Daran könnte ich mich gewöhnen, dachte sie und lächelte vor sich hin.
Leises Klappern drang in ihre Träumereien, und sie sah auf. Raffaele kam mit einem Tablett in der Hand, auf dem Kaffee und Saft standen, ins Zimmer. Er war bereits angezogen, das schwarze Haar noch nass vom Duschen. Natashas Herz floss über vor Liebe zu ihm.
Sollte dieses Wochenende alles geändert haben? Fühlte er etwa das Gleiche wie sie? Dass zwischen ihnen etwas aufgeblüht war, etwas Reales und Echtes, unabhängig von dem Grund, der sie ursprünglich zusammengeführt hatte? War Raffaele bereit, es zuzugeben?
„Guten Morgen“, sagte sie verhalten.
„Hi.“ Raffaele kannte diesen Ton, hatte diesen speziellen Gesichtsausdruck schon so oft gesehen. Und während er das Tablett abstellte, sank sein Mut. Das war es, was Frauen immer machten. Im Bett verloren sie sich vor Leidenschaft, und dann auf einmal verließ sie die Courage. Sie brauchten die Versicherung, dass man sie am nächsten Morgen genauso faszinierend fand wie in der Nacht zuvor. Dass man die Dinge jetzt auf das nächste Level heben würde.
Aus Erfahrung wusste er, dass er jetzt vorsichtig sein musste. Eine zu deutliche Versicherung erweckte automatisch falsche Vorstellungen. Und das wollte er auf keinen Fall – nicht bei Natasha. Dabei hatte er in den letzten Tagen praktisch schon alle Regeln mit ihr gebrochen.
„Kaffee?“, fragte er.
„Ich hätte es lieber, wenn du ins Bett zurückkämst“, flüsterte sie als Antwort.
Er lächelte schief und zwang sich, dort zu bleiben, wo er war, auch wenn sein Körper sofort auf die Einladung reagierte. „Ich fürchte, ich muss dich enttäuschen. Ich habe noch ein paar Anrufe zu erledigen, bevor wir zum Flughafen fahren.“
Die Wirklichkeit hatte sie eingeholt. Cinderellas gläserne Kutsche war soeben wieder zum Kürbis geworden, noch bevor die Uhr Mitternacht geschlagen hatte. „Anrufe?“
Raffaele kniff die Augen zusammen. Der Vorwurf in dem einzelnen Wort war nicht zu überhören gewesen. War ihr dieses Wochenende etwa zu Kopf gestiegen? Was glaubte sie denn, was das hier war? Eine Art Flitterwochen? Hatte sie vergessen, dass sie nur aus einem ganz bestimmten Grund hier war? Sicher, es gab da durchaus eine gewisse Chemie zwischen ihnen. Dummerweise hatte er das auch noch vorangetrieben.
Seine Stimme wurde streng. „Ich habe ganz nebenbei auch noch zu arbeiten, Natasha.“
„Natürlich.“ Sofort fühlte sie, wie sie in ihre alte Rolle zurückfiel. Die fügsame Natasha. Die Natasha, die keinerlei Ansprüche stellte.
Ein schrecklich mulmiges Gefühl stieg in ihr auf, als sie auf seinen distanzierten Blick traf. So sollte es nicht sein. Nicht nach allem, was zwischen ihnen passiert war. Selbst Raffaele konnte doch nicht ignorieren, wie wunderbar es zwischen ihnen gewesen war. Was als Spiel begonnen hatte, war zu etwas völlig anderem geworden. Letzte Nacht hatte er ihr das Gefühl gegeben, sie sei die
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