Verfuhrt auf dem Maskenball
niemals gehen lassen.
Lizzie fühlte in sich eine Kraft und Entschlossenheit, von der sie gar nicht wusste, dass sie darüber verfügte. Sie straffte die Schultern und sagte, ohne ihn dabei anzusehen: „Auch ich mag dich sehr, Tyrell.“
Statt einer Antwort schwieg er.
Langsam, sehr langsam drehte sie sich zu ihm um. „Tyrell, ich muss jetzt allein sein.“
Seine Miene zeigte, wie beunruhigt er war. „Dein Ton gefällt mir nicht.“
„Dann entschuldige ich mich dafür.“ Sie wollte lächeln, doch sie wusste, das konnte sie nicht, nicht einmal, wenn ihr Leben davon abhinge. Doch ihr Leben zählte nicht mehr, oder? Was zählte, waren Tyrells Leben und Neds Zukunft.
Plötzlich machte er einen Schritt auf sie zu und umfasste ihr Gesicht mit beiden Händen. „Liebling! Nichts wird sich wirklich ändern. Ich werde dir ein Heim kaufen, so groß wie dieses – jeden Tag werde ich bei dir sein, und wir werden noch mehr Kinder haben!“
Es würde nicht mehr Kinder geben, nicht für sie. „Bitte nicht“, sagte sie und schloss ganz fest die Augen. Doch die Tränen liefen ihr trotzdem über die Wangen.
Er erdrückte sie fast in seiner Umarmung. „Du verlässt mich nicht“, sagte er, und es war ein Befehl.
Lizzie antwortete ihm nicht.
Erst als sie allein in ihrem Zimmer war, erkannte sie, was ihre Entscheidung wirklich bedeutete.
Ned war ein de Warenne. Er gehörte zu seinem Vater .
Wenn sie Tyrell jetzt verließ, bedeutete das außerdem, dass sie Ned zurücklassen musste. Lizzie liebte Ned viel zu sehr, um ihm sein Geburtsrecht oder seinen Vater vorzuenthalten, so wie sie Tyrell viel zu sehr liebte, um überhaupt nur in Erwägung zu ziehen, ihn von seinem Sohn zu trennen. Zum Glück hatte Tyrell Ned sehr lieb gewonnen und benahm sich, als hielte er Ned tatsächlich für seinen Sohn. Ehe sie fortging, musste sie ihm jetzt die Wahrheit sagen. Da sie den Mut dazu nicht aufbrachte, würde sie einen Brief hinterlassen.
Sie weinte, bis sie keine Tränen mehr hatte. Georgie hatte versucht, sie zu trösten, und als sie zu ahnen begann, was sie vorhatte, es ihr auszureden. Jetzt wollte Lizzie nicht mehr mit ihrer Schwester sprechen.
Sie erhob sich nur aus dem Bett, um die wenige Zeit, die ihr noch blieb, mit Ned zu verbringen. Er sollte ihren Kummer nicht sehen, das hätte ihn nur verwirrt, daher zog sie ein anderes Kleid an und wusch sich sorgfältig das Gesicht. Gerade als sie bereit war, zur Kinderstube zu gehen, klopfte es lautstark an ihrer Schlafzimmertür. „Madam! Miss Fitzgerald!“ Es war Rosie. Sie schien sehr verängstigt zu sein.
Voller Furcht, dass Ned etwas zugestoßen sein könnte, eilte sie zur Tür. „Ist mit Ned alles in Ordnung?“
„Madam, es geht ihm gut. Aber ich weiß nicht, was ich tun soll! Es geht um Seine Lordschaft, Madam. Er ist in der Kinderstube! Er ist bei Ned in der Kinderstube!“
Lizzie begriff nicht, und sie wollte Tyrell jetzt nicht sehen.
„Es ist der Viscount!“
Entsetzt lief sie hinaus. Warum wollte Harrington ihren Sohn besuchen? Eine entsetzliche Angst überkam sie. Vor der offenen Tür zur Kinderstube hielt sie inne, weil sie nicht wusste, was sie erwarten würde. Rosie stand direkt hinter ihr.
Harrington war schlank, von mittlerer Größe und mit eisengrauem Haar. Er war ein gut aussehender, eleganter Mann, und seine Tochter sah ihm sehr ähnlich. Er saß auf dem Sofa zusammen mit Ned, der ein ausgestopftes Tier in der Hand hielt und den älteren Mann aufmerksam und misstrauisch ansah.
Instinktiv wäre Lizzie am liebsten hinzugeeilt und hätte Harrington aufgefordert, sich von ihrem Sohn zu entfernen. Stattdessen starrte sie die beiden an und vermochte vor Angst kaum zu atmen.
Schließlich reichte Ned das ausgestopfte Tier Lord Harrington. Der nahm es und erwiderte sehr ernsthaft: „Vielen Dank.“
Als er sie sah, erhob er sich rasch und neigte den Kopf. „Miss Fitzgerald, wie ich vermute?“
Lizzie knickste, und dann sah sie den Mann einfach nur an, der sie ebenso aufmerksam betrachtete. Schweigen breitete sich aus.
„Mama!“, rief Ned entzückt. Er kletterte vom Sofa und lief zu ihr, so schnell er konnte. Als er bei ihr war, fiel er hin. Lizzie kniete nieder und umarmte ihn, doch er protestierte und stieß sie weg. „Ned auf!“, erklärte er, zog sich an ihren Röcken hoch und strahlte sie voller Stolz an.
Es gelang Lizzie, ihn zu loben, dann erhob sie sich langsam und sah Harrington an. „Mylord“, sagte sie, „was führt Sie in die
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