Verfuhrt auf dem Maskenball
umklammerte den Rand und beugte sich vor.
Tyrell stand zusammen mit dem Gärtner am Ufer des Sees, nur ein paar Schritte von der Auffahrt entfernt. Er blickte hinüber zu der Kutsche. Weil er so weit weg stand, konnte Lizzie seinen Gesichtsausdruck nicht erkennen.
Harrington hatte ihn gesehen. Er winkte und änderte die Richtung.
Tyrell hob die Hand und erwiderte den Gruß.
Mit angehaltenem Atem sah Lizzie, wie Harrington mit entschlossenen Schritten auf Tyrell zuging. Tyrell kam ihm entgegen. Einen Moment später schüttelten die beiden Männer einander die Hände. Harrington schlug Tyrell auf den Rücken, die Geste wirkte vertraulich und freundschaftlich.
Lizzie rang nach Luft und hielt sich die Hand vor den Mund, um den Laut zu ersticken. Was sollte sie nur tun?
„Lizzie?“
Als sie die Stimme ihrer Schwester hörte, fuhr Lizzie herum. Georgie stand an der Schwelle zum Salon. „Lord Harrington ist soeben eingetroffen.“
Lizzie nickte schwach. „Ich weiß.“
„Was sollen wir jetzt machen? Was wirst du jetzt tun?“ Und zum ersten Mal in ihrem Leben klang es, als würde Georgie gleich in Panik geraten.
Lizzie wäre am liebsten fortgelaufen. „Ich weiß es nicht.“
„Du kannst da nicht stehen bleiben!“
Allmählich begann ihr Verstand, wieder zu arbeiten. Sie war nicht die Herrin dieses Hauses, obwohl Tyrell so getan hatte, als wäre sie es, obwohl sich die Dienstboten ihr ergeben gezeigt hatten, ebenso wie die Nachbarn. Sie war Tyrells Mätresse, mehr nicht, und draußen stand der Mann, der bald sein Schwiegervater sein würde.
Quer über die Terrasse lief sie zurück zum Haus, Georgie an ihrer Seite. Dann eilten sie durch den Ostflügel, bis Georgie ihr Handgelenk packte und sie beide stehen blieben. „Deine Gemächer sind im Westflügel“, rief sie.
Lizzie sah sie an. „Ich werde das Herrenzimmer nicht betreten.“
Georgie nickte. „Du hast recht. Du wirst mein Zimmer mit mir teilen. Ach, warum hat er nicht geschrieben!“
„Ich werde dir sagen, warum“, erwiderte Lizzie. „Lord Harrington hat nicht geschrieben, weil er in London die Gerüchte gehört hat. Er wollte selbst sehen, wie Tyrell und ich offen miteinander leben.“ Und plötzlich war sie den Tränen nahe. „Er ist nur aus einem einzigen Grund hier.“
Die Zukunft, über die sie nicht hatte nachdenken wollen, war plötzlich zur Gegenwart geworden.
19. Kapitel
Das letzte Opfer
Georgies Gemächer lagen gegenüber der Kinderstube. Lizzie und Georgie eilten hinein, dann fuhr Lizzie herum. „Warum bist du so schweigsam? Ich weiß, was du denkst!“
Georgie holte tief Luft. „Ich denke, dass das hier sehr unangenehm ist.“
Lizzie zuckte zusammen. „Ich denke, dass es sehr beschämend ist.“
Georgie trat zu ihr und sagte so ruhig wie möglich: „Ihr liebt einander. Das ist keine Schande. Eine Schande ist es, dass Tyrell nicht zu Verstand kommt, diese Verlobung löst und dich zum Altar führt.“
Erschüttert biss Lizzie sich auf die Lippe. Nachts, wenn sie in seinen Armen lag, dann wusste sie ganz genau, dass auch er sie liebte. Bei Tage war sie nicht so sicher. „Der älteste Sohn eines Earls pflegt nicht, eine verarmte Landadlige zu heiraten, und das weißt du.“
„Manchmal aber doch!“, rief Georgie. „Er könnte aus Liebe heiraten. Er ist reich genug, um so etwas zu tun!“
Hatte Georgie recht? Verwirrt wechselte Lizzie das Thema. „Was soll ich jetzt tun? Soll ich hier in deinen Gemächern bleiben und mich verstecken, bis Harrington abreist? Zum Abendessen können wir heute nicht hinuntergehen, oder? Und was ist mit Ned? Muss er sich auch im Kinderzimmer versteckt halten?“
Georgie berührte ihren Arm. „Sobald sich eine Gelegenheit bietet, musst du mit Tyrell sprechen. Ich bin sicher, er wird wissen, wie man sich in einer solchen Situation richtig verhält.“
Lizzie wusste, wie man sich verhalten sollte – sie hatte es immer gewusst. Sie verschränkte die Arme. „Ich habe dir nie erzählt, dass ich Lady Blanche nachspioniert habe.“
„Du hast was getan?“
„Der Verlobungsball – ich habe mich dort eingeschlichen.“
Georgie sah sie erstaunt an. „Und?“, fragte sie schließlich.
Lizzie holte tief Luft. „Sie ist wunderschön, Georgie. Ich konnte keinerlei Makel an ihr entdecken. Sie ist elegant, anmutig, und sie scheint auch über ein angenehmes Wesen zu verfügen.“
„Vermutlich wäre es nicht recht zu hoffen, dass sie hässlich, dick und böse sein könnte.“
„Sie passt
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